Essen – Dicht beieinander stehen die Männer und Frauen am Morgen in einer langen Schlange vor der Essener Tafel. Ganz vorn sitzt eine 64-Jährige aus Tunesien auf den Eingangsstufen. Auch aus den Nachrichten hat sie erfahren, dass sich Ausländer nun wieder eine Kundenkarte für die Lebensmittelausgabe holen können. „Ich hoffe, das klappt“, sagt die Frau.
Kurz darauf öffnet sich die Tür zum historischen Wasserturm, in dem die Büros der Hilfsorganisation untergebracht sind. Knapp 50 Wartende treten ein – unter ihnen viele Ausländer. Denn seit diesem Mittwoch dürfen sich nach Monaten erstmals wieder Menschen ohne deutschen Pass bei der Essener Tafel anmelden.
Es liegen turbulente Wochen hinter der Hilfsorganisation und ihrem Vorstandschef Jörg Sartor. Im Dezember hatte der Vorstand beschlossen, Lebensmittelspenden vorübergehend nur noch an Deutsche auszugeben. Der Grund: ein angeblich zu groß gewordener Anteil an Ausländern unter den Kunden von 75 Prozent. Gerade ältere Menschen und alleinerziehende Mütter hätten sich von den vielen fremdsprachigen jungen Männern in der Warteschlange abgeschreckt gefühlt, hieß es.
Das sorgte bundesweit für heftige Kritik. Sartor, ein 61 Jahre alter Ex-Bergmann, ist erleichtert, dass der Trubel „jetzt ein Ende nimmt“.
Nun gelten neue Aufnahmeregeln: Auch bei Engpässen soll die Nationalität keine Rolle mehr spielen. In solchen Fälle will die Tafel alleinstehende Senioren ab 50 Jahren, Behinderte, Alleinerziehende und Familien mit minderjährigen Kindern bevorzugt aufnehmen. Gestern waren etwa zwei Drittel der Wartenden laut Sartor Ausländer. Viele von ihnen hätten dann auch eine Kundenkarte bekommen, berichtet er später. Momentan sind laut Sartor knapp 56 Prozent der Kunden Deutsche. Von vielen habe er gehört: „Danke, dass Sie uns wieder die Möglichkeit gegeben haben, zu kommen.“ Der Tafel-Chef rechnet nicht mehr mit einem so hohen Ausländeranteil wie zuletzt.