Eskalation in Syrien

High Noon

von Redaktion

Wäre die Lage nicht todernst, könnte man lachen: Ausgerechnet Syrien übernimmt Ende Mai turnusgemäß für einen Monat den Vorsitz bei der Genfer Abrüstungskonferenz, jenem Gremium also, das unter anderem das Verbot von Chemiewaffen überwachen soll. Präsident Assad als Kontrolleur? Der alphabetische Zufall macht den Bock zum Gärtner. Makabrer geht’s kaum.

Doch neben dem Widerwärtigen steckt im Syrien-Konflikt vor allem ein bedrohliches Eskalationspotenzial, wie es die Welt lange nicht gesehen hat. Eine militärische Großmacht, Putins Russland, hält seit Ausbruch des Bürgerkriegs ihre schützende Hand über den Verbündeten Assad, statt ihn zu mäßigen. Egal, was der Schlächter von Damaskus seinem Volk antut, Giftgaseinsatz oder Massenmord mit konventionellen Waffen.

Und der Westen? Amerika ist einerseits der Rolle des Weltpolizisten zunehmend müde. Andererseits werden die USA derzeit von einem Präsidenten geführt, dessen impulsives Gebaren zur aktuellen explosiven Lage in Syrien passt wie eine Fackel ins Dynamit-Lager. Wo kühle Vernunft und strategisches Denken gefragt wären (was zugegebenermaßen in Washington im Hinblick auf den Nahen und Mittleren Osten schon seit Jahren fehlt), kündigt Trump in High-Noon-Manier „smarten“ Raketenbeschuss an – mit besten Grüßen an Moskau. Ein direktes Duell der Großen droht. Risiken und Nebenwirkungen? Unabsehbar.

Die selbst ernannte „Softpower“-Großmacht Europa duckt sich derweil weg. Kanzlerin Merkel verurteilt Assads Vorgehen zwar „aufs Schärfste“ – eine gemeinsame Antwort der 28 Staaten auf die menschliche Tragödie in Syrien bleibt aber aus. Ihre Atom-Mitglieder Frankreich und Großbritannien folgen der militärischen Logik.

Wohin soll das alles führen?

Alexander Weber

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