Fall Skripal: Bericht belastet Moskau schwer

Russisches Gift

von Redaktion

Lügen haben kurze Beine. Wie nach der Besetzung der Krim, wie nach dem Abschuss des niederländischen Passagierjets über der Ostukraine hat der Kreml auch nach dem Nervengiftanschlag auf die Skripals der Weltöffentlichkeit wochenlang Märchen aufgetischt. Der von Moskau in virtuos gespielter Empörung verlangte Beweis für die staatlich-russische Herkunft des Gifts liegt nun auf dem Tisch. Ebenso sei das Assad-Regime zweifelsfrei überführt, hinter dem jüngsten Chlorgasangriff in Syrien zu stecken, sagt Frankreichs Präsident Macron. Nur, was folgt daraus?

Putin hat sich entschieden. Ohne jeden Skrupel folgt er seinem Plan, Russland als militärische Supermacht wieder auf der Weltkarte einzugravieren, in Osteuropa ebenso wie im Nahen Osten. In Syrien tobt ein Weltkrieg im Regionalmaßstab. Doch über echte Militär-Optionen verfügt der Westen seit dem Kriegseintritt der Atommacht Russland dort nicht mehr. Mehr als symbolische Strafmaßnahmen bleiben Macron, Trump und May nicht. Das gilt erst recht für die Kanzlerin, die voll damit beschäftigt ist, die aus dem Mordhaus Syrien fliehenden Menschen aufzunehmen.

Folgenlos werden die nun vorliegenden Beweise auch für die große Schar der Putin-Versteher in Deutschland bleiben. In den Echokammern des Internets ersinnen sie mit wachsender Begeisterung immer neue Verschwörungstheorien, denen stets eines gemeinsam ist: Amerika spielt die Schurken-, Russland die Opferrolle. Beweise verlangen sie nur, solange deren Fehlen die Verbohrtheit und Voreingenommenheit des Westens zu belegen scheint. Sind sie schließlich erbracht, wird sogleich das traurige Lied von der jahrelangen Zurückweisung Russlands angestimmt.

Richtig: Deutschland braucht ein vernünftiges Verhältnis zu Russland, dem Handelspartner und Nachbarn, dem es in zwei Weltkriegen viel Leid zugefügt hat. Aber es darf sich keinen romantischen Illusionen hingeben hinsichtlich der Natur von Moskaus derzeitiger Führung. Und deshalb sind Beweise am Ende eben doch wichtig: Weil sie es Putin ein wenig schwerer machen, in seinem hybriden Krieg die Deutschen, die sich der russischen Seele nahe fühlen, zu täuschen, zu verwirren und vom Westen abzuspalten.

Georg Anastasiadis

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