Das Geschäft mit der Identität

von Redaktion

Frustrierte Flüchtlinge verkaufen deutsche Papiere via Internet – Innenministerium: 554 Fälle im vergangenen Jahr

Berlin – Er kam mit großen Hoffnungen – und ging mit großem Frust. Nach gut zwei Jahren in Deutschland stand der junge Syrer ohne Job und ohne Aussicht da, seine Frau und die zwei Söhne nachzuholen. Also beschloss er, in die zerbombte Heimat zurückzukehren. Zuvor verkaufte er, was er hatte, auch die deutschen Papiere, für 1500 Euro.

Im „Spiegel“ heißt der junge Syrer Hassan Rahimi. Das ist nicht sein richtiger Name, aber die Geschichte ist wahr. Und sie ist nur eine von vielen ähnlichen Geschichten.

Immer mehr Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak verlassen Deutschland und verkaufen vorher ihren Flüchtlingsausweis und die Gesundheitskarte. In einer vertraulichen Analyse warnt die Bundespolizei gar vor einem florierenden Handel mit Identitäten im Netz. Danach werden vor allem deutsche Reisedokumente in sozialen Medien zum Verkauf angeboten. Insbesondere Syrer hätten seit Ende 2016 in der Türkei den angeblichen Verlust ihrer europäischen Dokumente, die sie als Flüchtlinge auswiesen, angezeigt. Vermutlich seien sie verkauft worden.

Wie das Magazin unter Berufung auf das Bundesinnenministerium berichtete, stellte die Bundespolizei im vergangenen Jahr 554 Fälle fest, in denen echte Dokumente zur unerlaubten Einreise nach Deutschland genutzt worden waren. Davon stammten 100 aus Deutschland, 99 aus Italien, 52 aus Frankreich; ein paar wenige aus Schweden, Griechenland und Belgien.

In einer arabischen Facebook-Gruppe mit dem Namen „Die umgekehrte Auswanderung aus Europa in die Türkei“ wurde zuletzt unter anderem ein norwegischer Pass angeboten. Auch ein deutscher Ausweis „plus Gesundheitskarte“ war annonciert – für 1400 US-Dollar (rund 1130 Euro). Da der Betrug ohne eine Ähnlichkeit zwischen Anbieter und Käufer der Papiere kaum gelingen kann, posten manche Anbieter auch noch ein Passfoto.

Die Dokumente werden oft in Griechenland oder der Türkei übergeben. Denn von hier aus können die Käufer problemlos nach Europa weiterreisen. Meist sind es andere Syrer, die ihren Landsleuten die Dokumente abkaufen.

Ein Hauptgrund für die Rückkehr syrischer Flüchtlinge aus der EU in die Türkei oder nach Syrien sind die Hürden beim Familiennachzug. Bei einigen irakischen Flüchtlingen spielt auch die Frustration über die Lebensumstände und Verdienstmöglichkeiten in Deutschland eine Rolle.

In wenigen Fällen, die dem Bundeskriminalamt bekannt seien, haben laut „Spiegel“ Terrorverdächtige deutsche Dokumente missbraucht, um hierher zu gelangen.

Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster warnt davor, den Dokumente-Verkauf zu bagatellisieren, und fordert harte Sanktionen: „Jeder Flüchtling, der sich an einem Passhandel beteiligt, hat sein Gastrecht verwirkt“, sagte er. Dann müsse es „eine beschleunigte Form der Abschiebung geben“. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, warf der Union „flüchtlingsfeindliches Wahlkampfgetöse“ vor.

Manchmal kommt noch ein weiterer Betrug hinzu: Nämlich dann, wenn die Verkäufer bei deutschen Konsulaten Ersatz für „verlorene“ Papiere beantragen. Nicht so Hassan Rahimi. Er kehrte nach Syrien zurück, ohne Papiere. dpa/mmä

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