Schrammen? Dann halt Schrammen, noch ein paar mehr. Natürlich sind die 66 Prozent ein schlechtes Ergebnis für die neue SPD-Chefin Andrea Nahles, natürlich ist es ein unschöner Start, nicht mal zwei Drittel der Delegierten hinter sich zu haben. Angesichts der riesigen und existenzgefährdenden Sorgen der SPD wäre eine Nabelschau um die paar Prozentpunkte aber kurios. Man darf sich Nahles besser als Kämpfernatur statt als Sensibelchen vorstellen – sie wird sich von ihrem Ergebnis nicht bremsen lassen. Aus der jüngeren SPD-Geschichte ist eh zu lernen: Hype und Hundert-Prozent-Ergebnis sind manchmal die viel größere Hypothek.
Spannender wird die Frage, wie geschlossen sich die SPD nun hinter Nahles sammelt. Eigentlich müsste die neue Vorsitzende nämlich ein größeres politisches Manöver starten, eine mehrfache Kurskorrektur. Sie muss die SPD einerseits als eine linke Volkspartei positionieren, als Kümmerer in Megafragen wie Wohnungsnot oder Pflegepolitik. Andererseits muss Nahles der Partei das romantisierende Zuwanderungsverständnis ihrer Funktionärsschicht abgewöhnen. Die Wähler denken ja längst anders, gerade die so gern zitierten kleinen Leut’ und die ehemalige Arbeiterschicht. In deren Alltag schlagen Verteilungsfragen und Sicherheitsbedenken längst konkret auf, und das nicht in Form träumerischer Sonntagsreden. Nahles erweckte bisher den Eindruck, da ganz vernünftig zu denken. Nun kann sie’s umsetzen.
Christian Deutschländer
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