München – Die Debatte über den Kreuz-Erlass der Staatsregierung sorgt nun auch innerhalb der Kirchen für Zwist. So kritisierte der Papstbotschafter in Österreich, Erzbischof Peter Stefan Zurbriggen, die Ablehnung des Erlasses durch deutsche Bischöfe und Theologen. Er sei „traurig und beschämt“, dass ausgerechnet sie Kritik übten, wenn Kreuze errichtet würden. Auch habe er kein Verständnis für das Abhängen von Kreuzen, etwa an Hochschulen: „Diese religiöse Korrektheit geht mir langsam auf den Nerv“, sagte er am Montag in der Philosophisch-Theologischen Hochschule Heiligenkreuz in Österreich.
Zurbriggens Kritik zielte wohl vor allem auf den Chef der deutschen katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Der hatte Söder vorgeworfen, mit seiner Anordnung „Spaltung, Unruhe, Gegeneinander“ zu stiften. Zurbriggen spielte am Montag einmal auf Marx an, ohne ihn zu nennen: Es sei beschämend, sagte er, wenn sich jemand als Pilger im Heiligen Land dagegen entscheide, ein Kreuz zu tragen. Marx und der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm hatten 2016 bei einem Besuch des muslimisch kontrollierten Jerusalemer Tempelbergs ihre Brustkreuze abgenommen, um die dortigen Spannungen zwischen Juden, Muslimen und Christen nicht weiter anzuheizen. Kritiker deuteten dies als eine Geste der Unterwerfung.
Die evangelische Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler erklärte derweil, sie sei erfreut über „Kreuze am Wegesrand und in öffentlichen Gebäuden“. Denn das Kreuz sei ein „inklusives Symbol“, sagte sie in Ettal. Es erinnere an einen „Gott, der in die tiefsten Abgründe steigt, um den Menschen nahe zu sein“. Jesu Kreuz lehre Demut und Bescheidenheit. Sie freue sich darum, „wenn politisch Verantwortliche sich bewusst unter das Kreuz stellen“.
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf bekräftigte indes seinen Appell vom Montag, in dem er sagte, dass es nicht passe, „das Kreuz zur Bestätigung menschlicher Politik zu machen“. Am Dienstag schrieb er auf Facebook, dass nichts gegen ein öffentliches Bekenntnis zum Glaube spreche. „Aber die Begegnung mit den Muslimen und den so genannten Gottlosen würde ich als Bischof gerne etwas inhaltsreicher ausgestalten“, so Kohlgraf, der über zahlreiche Reaktionen auf seine erste Stellungnahme berichtete.
Auch das Bistum Essen kritisierte den Erlass und warnte vor einer Zweckentfremdung von Kreuzen. Söder betone, das Kreuz sei nach seinem Verständnis nicht das Symbol einer Religion, sondern ein „sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung Bayerns“, sagte ein Sprecher von Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.
Der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio hält Söders Erlass indes nicht für verfassungswidrig. In einem Gastbeitrag für die „Zeit“ schreibt er, von einer klaren Verfassungswidrigkeit könne mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „keine Rede sein“. Von einem schlichten Kreuz gehe keine „weltanschauliche oder religiöse Indoktrination“ aus, entsprechend sei die neue Regelung mit dem Grundgesetz konform. kna/mmä