Eigentlich war schon das eine kleine Provokation: Mehr als ein Jahr lang blieb der Posten des US-Botschafters in Berlin unbesetzt. Donald Trump schien es lange nicht für nötig zu halten, einen direkten Draht zu einem der wichtigsten Verbündeten in Europa zu halten. America first! Vergangene Woche nun trat Richard Grenell seinen Posten endlich an – und hinterließ bereits nach wenigen Stunden verbrannte Erde. Im Dienste Trumps wird nun offenbar auch die Diplomatie via Twitter betrieben: Grenell forderte deutsche Unternehmen auf, ihre Aktivitäten im Iran schleunigst einzustellen. In Berlin wünschten sich plötzlich viele wieder die Zeit des leeren Stuhls zurück.
Nun muss man wissen, dass in den USA wichtige Botschafterstellen – anders als in Deutschland – selten mit Berufsdiplomaten besetzt werden. Meist handelt es sich um politische Entscheidungen, gerne werden fleißige Spendensammler vom Präsidenten mit einer Berufung belohnt. Dennoch sticht ins Auge, wie sehr Trumps neuer Mann in Berlin mit den diplomatischen Gepflogenheiten bricht. Wo es seine Aufgabe wäre, jenseits des politischen Schlagzeilen-Betriebs Gemeinsamkeiten auszuloten oder Probleme zu lösen, versucht Grenell, seinen Chef zu kopieren. Das mag ihm an der Basis daheim Beifall bescheren – den transatlantischen Beziehungen schadet er.
Die Episode symbolisiert das wachsende Selbstbewusstsein des außenpolitischen Novizen Trump, der inzwischen fast alle kritischen Geister aus seinem Umfeld verbannt hat. Ob in Nordkorea oder im Iran – im Weißen Haus dominieren die Falken. Und Trump glaubt an seinen Erfolg. Europa, das Handelszölle fürchtet, schrumpft da vom Partner zum Befehlsempfänger. May, Merkel und Macron werden sich deutlich enger abstimmen müssen, wenn sie sich Trumps Tatendrang entgegenstellen wollen.
Mike Schier
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