Karlspreis

Macrons Appell, Merkels Schweigen

von Redaktion

Von Elke Silberer

Aachen – Als der mit viel Lob bedachte Emmanuel Macron den Internationalen Karlspreis erhalten hat, sagt die Kanzlerin zu ihm: „Félicitation. Das ist ja leider das einzige französische Wort, das ich kann.“ Der französische Präsident wird geehrt für die Vision eines neuen Europas. Aber er bekommt auch an diesem Tag von Angela Merkel keine konkreteren Antworten auf seine Reformvorschläge. Sie beschwört den Geist Europas, aber sie schweigt zu ihren Ideen.

Bis Juni soll ein großer Reformvorschlag vorliegen. Macron platzt in seiner Rede fast etwas der Kragen. Da sprudeln in Deutschland die Steuermilliarden – bis zu 63 Milliarden mehr bis 2022 als bisher erwartet –, aber Merkels Regierung will nicht viel mehr als bisher für Europa berappen. Macron fordert, sich vom Spar-„Fetischismus“ mal zu lösen. Zeigen nicht gerade der drohende Bruch mit den USA, der Krieg in Syrien, die Flüchtlingsbewegungen, dass Europa mehr Integration, mehr gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik braucht?

Merkels Zögern hat sicher auch mit dem Aufstieg der AfD zu tun – mehr Geld für Europa ist nicht populär. So klaffen an diesem besonderen Tag in Aachen Worte und Realität etwas auseinander. Merkel sagt, Europa müsse das Schicksal selbst in die Händen nehmen. Aber wie? Im Nahen Osten gehe es „wahrlich um Krieg und Frieden“, direkt vor der Haustür Europas. „Es ist nicht mehr so, dass die Vereinigten Staaten von Amerika uns einfach schützen werden.“

Aufmerksam hört Martin Schulz Angela Merkel im Aachener Rathaus zu, als sie auf das erste Kapitel des Koalitionsvertrages von Union und SPD verweist. Bevor er als SPD-Chef zurücktrat und wegen internen Widerstands auch nicht Außenminister werden durfte, hatte er das Kapitel maßgeblich verhandelt. Es heißt: „Ein neuer Aufbruch für Europa“. Bisher steht er nur auf dem Papier, Macron wartet. Und Schulz als Macrons Verbündeter wirft Merkel vor, bewusst zu bremsen.

Macron betont, er brauche nicht nochmal seine Vorschläge zu wiederholen. Seine vier Gebote: 1. Seien wir nicht schwach. Entscheiden wir. 2. Seien wir nicht gespalten. Vereinigen wir uns. 3. Seien wir nicht ängstlich. Wagen wir etwas. 4. Warten wir nicht ab. Handeln wir jetzt. Er gibt den Anpacker, Merkel wartet ab.

Aber auch ihre Analyse ist deutlich: Es braucht Entscheidungen, um Europa gegen autoritäre Bestrebungen zu verteidigen. „Angesichts der großen globalen Herausforderung sind wir Europäer nur zusammen in der Lage, unseren Einfluss geltend zu machen“, sagt Merkel in der Laudatio für den „lieben Emmanuel Macron“. Nur zusammen werde Europa seine Handlungsfähigkeit erhalten.“

Merkel bekam vor zehn Jahren den Karlspreis – für ihre Verdienste um eine Vertiefung der europäischen Integration. Genau wie heute Macron, der den nächsten Schritt will. Sein Drängen klingt fast ungeduldig: „Wir müssen jetzt etwas tun. Wir haben ziemlich lange gewartet. (…) Wir haben uns für Europa entschieden, und das ist auch die Entscheidung für das Abendland“, sagte Macron in seiner leidenschaftlichen Rede an dem symbolträchtigen Ort Karls des Großen. Der Franken-Kaiser, der wie kaum eine andere historische Persönlichkeit Deutsche und Franzosen miteinander verbindet.

Es gehe um Reden und Zuhören, gemeinsame Wege finden. „Das ist die Herausforderung und der Zauber Europas, wie ich ihn – wenn ich das persönlich sagen darf – gerade in der Zusammenarbeit mit Dir in diesem Jahr immer wieder erlebt habe, lieber Emmanuel Macron.“ Nun muss sich zeigen, wie dieser Zauber in Politik umzusetzen ist – denn Europa steht vor stürmischen Zeiten – und ist nicht gut gerüstet.

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