Platzt der historische Gipfel zwischen US-Präsident Trump und Nordkoreas Diktator Kim am 12. Juni in Singapur? Donald Trump lernt nun, dass Politik etwas komplizierter sein kann als ein simpler Immobiliendeal – und dass sich nicht jeder Verhandlungspartner über den Tisch ziehen lassen will, so wie es Trump aus New Yorker Zeiten gewöhnt ist. Hinzu kommt der Faktor des Gesichtsverlusts, der gerade im asiatischen Raum eine große Rolle spielt. Deshalb scheint es ein massiver taktischer Fehler von US-Sicherheitsberater John Bolton gewesen sein, die schnelle Totalabrüstung Nordkoreas zur Voraussetzung für einen Gipfel-Erfolg zu erklären. Für Kim, dem das Streben nach Atomwaffen stets eine heilige Pflicht war, war das zu starker Tobak. Und es ist ohnehin eine unrealistische politische Position.
Blickt man auf die Abrüstungsgespräche zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion zurück, so war dies ein langer, schwieriger und sensibler Prozess. Wichtig scheint deshalb nun, dass der außenpolitisch völlig unerfahrene US-Präsident die Annäherung an Nordkorea nicht als „Alles-oder-nichts“-Ereignis oder Gameshow-Event ansieht, bei der am Ende ein Gewinner verkündet wird. Will das Weiße Haus den Gipfel retten und dem ganzen Spektakel Sinn verleihen, so sollte Trump Kim zumindest auf Augenhöhe begegnen – und ihn nicht schon vor Beginn der Gespräche mit unrealistischen Forderungen an die Wand drücken. Augenhöhe bedeutet zwar eine Aufwertung des unberechenbaren Despoten – doch es ist die einzige Chance, das Treffen zu retten.
Friedemann Diederichs
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