Nord Stream 2

Streit um Putins Gas

von Redaktion

von Marcus Mäckler

München – Erst Kiew, dann Moskau: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist dieser Tage in heikler Mission unterwegs. Es geht um das Pipeline-Projekt Nord Stream 2, mit dem ab Ende 2019 russisches Erdgas nach Deutschland transportiert und dann nach Europa weiterverteilt werden soll. Altmaier gibt nun, kurz vor Baubeginn, den Vermittler. Denn das Projekt hat hartnäckige Gegner.

Die sitzen unter anderem in der Ukraine, aber auch in Polen, dem Baltikum und den USA. Genau genommen haben sich bisher nur Deutschland und Österreich für die Ostsee-Pipeline ausgesprochen, was auch daran liegt, dass die deutschen Unternehmen Wintershall und Uniper sowie OMV aus Österreich an dem Projekt beteiligt sind. Formal ist aber der russische Staatskonzern Gazprom einziger Anteilseigner. Für Kritiker ein Alarmsignal.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock brachte die größten Bedenken kürzlich auf den Punkt. Die Bundesregierung, sagte sie, mache sich „zum Steigbügelhalter des autokratischen Präsidenten Putin, die erneuerbaren Energien werden ausgebremst, und es wird ein Spaltpilz für Europa geschaffen“.

Tatsächlich lässt sich darüber streiten, ob Nord Stream 2 überhaupt nötig ist. Immerhin ist die bestehende Nord-Stream-Pipeline, die 2011 in Betrieb ging und theoretisch 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr befördern kann, nur zum Teil ausgelastet. Die neue Röhre, die – parallel zur bestehenden – 1200 Kilometer vom russischen Wyborg bis nach Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern führen soll, würde die theoretische Transportmenge verdoppeln.

Während die Bundesregierung der Logik folgt: Je mehr Gas, desto sicherer die Energie, sind einige Experten skeptisch. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagte im NDR, es gebe international schon einen Gas-Überschuss: „Unsere Wirtschaft braucht das Gas nicht. Energiewirtschaftlich ist dieses Projekt nicht zu rechtfertigen.“

Überhaupt vermuten Kritiker hinter Nord Stream 2 eher strategische als ökonomische Interessen. Die Standpunkte sind vielfältig:

Russland

Russland hat durchaus ein ökonomisches Interesse an der zweiten Pipeline. Mehr als 60 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus Energielieferungen an Dritte. „Die EU und Deutschland sind die wichtigsten Abnehmer für russisches Gas“, sagt der Russland-Experte Stefan Meister vom Robert-Bosch-Zentrum. Die Abhängigkeit ist in seinen Augen immens. „Würden die Gaslieferungen nach Europa abbrechen, wäre Russland in kürzester Zeit zahlungsunfähig.“

Allerdings verfolgt Putin auch strategische und politische Ziele. Dabei geht es laut Meister um einen stärkeren (auch destruktiven) Einfluss auf die Mitgliedsstaaten der EU sowie die Stabilisierung der eigenen Macht im Kreml. Vor allem aber will Putin die Ukraine als Transitland für russisches Gas künftig umgehen. So würde er das Land, mit dem er wegen der Krim-Frage im Dauerclinch liegt, wirtschaftlich empfindlich treffen.

Ukraine

Noch gelangen große Mengen russischen Gases durch die Ukraine in die EU. Dafür kassiert das Land Transitgebühren – bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr. Nord Stream 2 könnte das ändern und die Ukraine damit geopolitisch marginalisieren. Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch Wirtschaftsminister Altmaier fordern aber, die Ukraine ökonomisch zu stabilisieren. Deshalb setzt das Land auf die Vermittlung Deutschlands. Nach einem Treffen mit Russlands Regierungschef Dmitri Medwedew sagte Altmaier, er sei „sehr optimistisch“, dass man zusammenfinde. Morgen trifft Merkel in Moskau auf Wladimir Putin. Dann könnte der Streit beigelegt werden.

Deutschland/EU

Die Bundesregierung sieht in Nord Stream 2 ein rein ökonomisches Projekt. Während aus der Union vereinzelt auch kritische Stimmen kommen, macht sich vor allem die SPD dafür stark. Vorsitzender des Aufsichtsrats von Nord Stream und Präsident des Verwaltungsrats von Nord Stream 2 ist übrigens ein alter Genosse: Altkanzler Gerhard Schröder. Der Beigeschmack lässt sich kaum wegdiskutieren.

Die EU-Kommission steht dem Projekt indes skeptisch gegenüber, hat aber keine Handhabe. Denn zuständig sind die Mitgliedsstaaten. Deutschland und Finnland haben dem neun Milliarden Euro teuren Pipeline-Bau übrigens schon zugestimmt. Es fehlen noch Schweden, Dänemark und, kurios: Russland.

USA

Die US-Regierung kritisiert Nord Stream 2 scharf. Der neue Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, warnte erst am Sonntag vor „russischem Einfluss“ auf Deutschland und Europa. Dass die Amerikaner mit ihrem Gas ebenfalls auf den europäischen Markt drängen, spielt dabei auch eine Rolle. Allerdings ist es bislang nicht konkurrenzfähig, weil zu teuer.

Dennoch: „Die Amerikaner sind im Grunde die einzigen, die das Projekt noch verhindern könnten“, sagt Stefan Meister. Tatsächlich hat die Trump-Regierung schon einen Sanktionskatalog für die beteiligten Unternehmen erstellt, ihn aber noch nicht angewendet.

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