Wenn ein Politiker seinen Posten verliert, muss er in der freien Wirtschaft wieder Fuß fassen dürfen. Selbstverständlich auch, wenn er zuvor Wirtschaftsminister, Außenminister und Vizekanzler war. Wäre der Weg in die Politik eine Sackgasse, fänden sich gar keine klugen Köpfe mehr, die ihn beschreiten würden. Der Einzug Sigmar Gabriels in den Verwaltungsrat des geplanten neuen Zug-Giganten Siemens-Alstom ist dennoch problematisch.
Formal läuft zweifellos alles nach Recht und Gesetz: Wenn Gabriel 2019 den neuen Aufsichtsposten antritt, wird er die vorgeschriebene einjährige Karenzzeit eingehalten haben. Doch Siemens-Alstom wird nicht irgendeine Firma sein. Das Geschäft mit Zügen und Bahntechnik ist naturgemäß eines, das auf den Staat als größten Auftraggeber angewiesen ist. Da sind Gabriels politische Kontakte und seine intimen Kenntnisse der Abläufe in der Ministerialbürokratie für ein Unternehmen unbezahlbar – und genau das macht den Seitenwechsel heikel, zumal der Ex-Minister als Abgeordneter weiter staatliche Diäten bezieht. In Gabriels Zeit als Wirtschaftsminister fiel zudem die geplante Fusion beider Unternehmen im Kraftwerksbereich. Auch wenn das Vorhaben scheiterte, Gabriel hatte sich heftig dafür engagiert.
Gabriel ist nicht der erste Spitzenpolitiker, der Spitzenmanager wird – siehe Gerhard Schröder bei Rosneft oder Daniel Bahr bei der Allianz. Jeder Jobwechsel dieser Art ist geeignet, das Ansehen der Politik zu schädigen. Deshalb muss man ein Verfahren finden, jeden Einzelfall nicht nur juristisch, sondern auch moralisch zu überprüfen. Eine Art Ethikkommission zur Rettung der Glaubwürdigkeit.
Corinna Maier
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