In der guten alten Zeit, in die sich mancher ja zurücksehnt, waren die politischen und gesellschaftlichen Fronten klar abgesteckt: Auf der einen Seite propagierten die Unionsparteien Hand in Hand mit den Kirchen konservative Werte. Auf der anderen stand die liberalere SPD, die als politisches Sprachrohr der Gewerkschaften für Arbeiter und Arbeitnehmer kämpfte. Die linke Symbiose endete jäh, als Gerhard Schröder seine Agenda 2010 verkündete. Seitdem will sich die alte Innigkeit nicht mehr einstellen. Vereint scheint man nur im Niedergang: Parallel zum Einfluss der Gewerkschaften in der modernen Arbeitswelt sinkt der Stern der ehemaligen Volkspartei.
All dies sollte Markus Söder im Kopf haben, wenn er nun versucht, wie einst Edmund Stoiber das Kreuz für die CSU zu instrumentalisieren. Auch wenn seine Haltung bei vielen Gläubigen gut ankommen mag, erweist sich der Umgang mit den Kirchenvertretern als weitaus schwieriger. Auch hier hat man sich auseinandergelebt: die zunehmend liberale Gesellschafts- und harte Asylpolitik missfallen vielen Pfarrern. Umgekehrt ärgerte sich die CSU über manch Kirchenasyl. Zudem läuft Söders dominanter Führungsstil, der in seiner um die absolute Mehrheit bangenden Partei (zumindest derzeit) klaglos akzeptiert wird, den selbstbewussten Kirchenfürsten zuwider. So könnte die Debatte weiter unschöne Schlagzeilen generieren – übrigens auch für die Kirche. Nur steht die im Gegensatz zur CSU im Oktober nicht zur Wiederwahl.
Die schwierige Debatte spiegelt eine gesellschaftliche Entwicklung wider, auf die das Land bislang vergeblich Antworten sucht. Gewerkschaften wie Kirchen mögen als Institutionen an Einfluss verloren haben. Ihre Anliegen jedoch sind auch 2018 noch aktuell: Solidarität, soziale Sicherheit, Werte, Gemeinschaft. Vielleicht fanden deshalb viele Konservative Söders Kreuzauftritt richtig. Eben weil er im Kreuz nicht in erster Linie ein religiöses, sondern ein identitätsstiftendes Symbol der Leitkultur sieht. Den Kirchenvertretern stieß genau das auf. Ein weiterer Beweis für das Ende der Symbiose. Die CSU muss aufpassen, dass das Verhältnis nicht ins Gegenteil kippt.
MIke Schier
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