Die Parlamente von Bund und Ländern haben schon manche Untersuchungsausschüsse für Pipifax und Parteipolitik erlebt. Wie grotesk ist da die Frage, ob der Bamf-Skandal wirklich einen eigenen U-Ausschuss wert ist. Natürlich muss der Bundestag diese Affäre untersuchen, und mehr als das! Im Fokus steht die zentrale politische Entscheidung des Jahrzehnts. Die Bamf-Beamten, alle mit der schieren Masse an Fällen überfordert, manche langsam und sehr wenige vielleicht korrupt, stehen ja am Ende der Versagenskette. Den Anfang machten Fehler der Politik, zuvorderst Herbst 2015 im Kanzleramt, Folgefehler im Innenministerium und eine beispiellose Rat-, Wort- und Tatenlosigkeit des Bundestags.
Zur Erinnerung: Eben dieses Parlament, das jetzt über Aufklärung berät, versagte in der vergangenen Legislaturperiode im Jahr 2015 völlig – über Monate fasste es keinen Beschluss, der die Merkel-Politik der offenen Grenzen legitimierte oder stoppte. Ja, auch damit muss sich ein U-Ausschuss befassen, ob das den damals wie heute hauptverantwortlichen Mehrheitsfraktionen passt oder nicht. Gesamt-Gegenstand der Untersuchung muss sein, welche gravierenden Fehler Politik und nachgeordnete Behörden ab 2015 gemacht haben.
Freilich ist die Sorge berechtigt, ein U-Ausschuss würde der AfD eine besonders bunte Bühne bieten. Erneute Schockstarre wäre aber die falsche Reaktion. Das Thema ist da, es verschwindet auch nicht. Vielmehr gilt: Wenn die anderen Parteien schweigen oder versuchen zu beschönigen, wird das Vertrauen der Bürger in den Staat und seine Institutionen weiter erodieren. Besser wäre transparente Vorwärtsverteidigung der Regierung, wie sie Neu-Innenminister Seehofer praktiziert. Mindestens für seinen glücklosen Vorgänger de Maizière und für Ex-Kanzleramtschef Altmaier, den überzeugten Architekten der Willkommenspolitik, dürfte das unangenehm werden. Mitleid ist da jedoch nicht angezeigt.
Christian Deutschländer
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