Bayern-Vorstoß im WohnungseigentumSrecht

Weg mit der Einstimmigkeits-Blockade

von Redaktion

Von Alexander Weber

München – Emilia Huber lebt seit 28 Jahren in ihrer Eigentumswohnung und fühlt sich wohl in ihrer sozialen Umgebung. Seit einiger Zeit fällt der 75-Jährigen jedoch das Treppensteigen hinauf in ihren fünften Stock altersbedingt zunehmend schwerer. Einen Aufzug gibt es nicht im Haus und den nachträglichen Einbau lehnen die anderen Wohneigentümer ab: zu hohe Kosten. Was tun? Ohne technische Nachrüstung wäre Frau Huber gezwungen, ihre geliebte Wohnung aufzugeben und wegzuziehen – in eine Parterre-Wohnung oder ein Haus mit Aufzug. Sie müsste ihr Leben in einer neuen, fremden Umgebung neu ordnen. In einer Gesellschaft mit steigendem Anteil älterer Menschen kein Einzelfall. Bis zum Jahr 2030 wird mindestens jeder vierte Bürger über 64 Jahre alt sein – für altersgerechte Wohnungen besteht also großer Bedarf.

Bayerns Justizminister Winfried Bausback wagt nun einen Vorstoß, um das Wohnungseigentumsrecht (WEG) zu modernisieren. Sein Ministerium hat einen Diskussionsentwurf erarbeitet, den er am 6. und 7. Juni auf der Justizministerkonferenz vorlegen will. „Ich will vor allem bauliche Maßnahmen erleichtern und fördern, die unzumutbare Barrieren für Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen beseitigen, dem Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge im privaten Raum sowie der energetischen Sanierung dienen und zum Einbruchschutz beitragen“, so Minister Bausback gegenüber unserer Zeitung.

Was würde das im Falle unserer Seniorin bedeuten?

Nach der aktuellen Gesetzeslage müssen alle neun anderen Wohneigentümer im Haus von Frau Huber dem Antrag für den nachträglichen Einbau eines Personenaufzugs zustimmen. Denn diese Maßnahme stellt im Sinne des Paragrafen 22 Absatz 1 WEG eine bauliche Veränderung dar. Eine Zustimmung aller Wohnungseigentümer hat zur Folge, dass diese dann grundsätzlich auch die Kosten der Maßnahme entsprechend ihrer Miteigentumsanteile zu tragen haben.

Nach dem bayerischen Entwurf könnten Maßnahmen zur behindertengerechten Nutzung durch einen einzelnen Eigentümer bereits dann durchgeführt werden, wenn eine doppelte Mehrheit erreicht wird: zwei Drittel aller nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer, sofern diese zugleich mehr als die Hälfte aller Miteigentumsanteile repräsentieren. Voraussetzung: die Maßnahme muss „erforderlich“ sein.

Gleichzeitig bestimmt der Entwurf, dass der Eigentümer, in diesem Fall Frau Huber, den Einbau des Aufzuges alleine zu tragen hat. Dadurch soll es ihr erleichtert werden, die Zustimmung ihrer Nachbarn zu bekommen, damit sie in ihrer Wohnung weiterhin leben kann. Langwierige Verhandlungen in der Eigentümerversammlung sollen so vermieden werden.

Gerade im Falle des altersgerechten Ausbaus von Wohnungen sieht Bausback Handlungsbedarf: Geschätzt 3,6 Millionen benötigten altersgerechten Wohnungen steht derzeit ein Bestand von nur 700 000 gegenüber. Doch nicht nur der demografische Wandel erfordert mehr Flexibilität im Wohnungsbereich, auch Nachrüstungen im Energie- und Sicherheitsbereich sowie der E-Mobilität sollen durch das Gesetz nicht blockiert werden. So sollte der Einbau einer Ladestation für das E-Auto kein unüberwindbares Hindernis sein. Nur wenn das Fahrzeug zuhause ohne großen Aufwand wieder aufgeladen werden kann, hat die Zukunftstechnologie eine echte Chance, heißt es im Ministerium.

Bausbacks Fazit: „Es kann nicht sein, dass sinnvolle bauliche Sanierungsmaßnahmen verhindert werden, weil die derzeitige Gesetzeslage regelmäßig eine einstimmige Entscheidung der Eigentümer fordert und keine flexiblen Regelungen in Bezug auf die Kostenfolgen zulässt.“

Doch das WEG ist Bundesrecht und fällt damit in die Zuständigkeit von Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD). Für Bausback geht es jetzt erst einmal darum, auf der Konferenz mit seinen Länderkollegen für seinen Entwurf zu werben.

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