EU-Innenminister kapitulieren vor der Asylpolitik

von Redaktion

Wieder keine Einigung bei Treffen in Luxemburg – Der nächste Anlauf erfolgt beim Treffen der Staatschefs im Juni

Luxemburg – Es war schon ein kleines Signal: Horst Seehofer reiste wie mehrere Kollegen aus dem Kreis der EU-Innenminister erst gar nicht nach Luxemburg. Dabei stand dort beim Treffen der Innenminister gestern eines der Top-Themen der Europäischen Union auf der Agenda: die Asylreform. Doch angesichts seit Jahren verhärteter Fronten scheinen die EU-Minister kapituliert zu haben. Damit geht die sogenannte Dublin-Reform an den Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs Ende Juni. Die Einigungschancen sind verschwindend gering.

„Die Reform der Dublin-Verordnung ist tot“, sagte Belgiens Asylstaatssekretär Theo Francken laut belgischen Medien nach den Beratungen in Luxemburg. Der Vertreter der flämischen Nationalisten findet, es müsse nun „über das Wesentliche gesprochen werden: den Kampf gegen die illegale Migration“.

Die Flüchtlingskrise hatte 2015 und 2016 Europas Schwäche in der Asylpolitik offenbart. Die Hauptankunftsländer Griechenland und Italien, die nach den Dublin-Regeln eigentlich für Asylanträge der Ankömmlinge zuständig waren, zeigten sich angesichts hunderttausender Migranten völlig überfordert – und taten dann wenig, die Menschen daran zu hindern, einfach in andere Länder wie Deutschland weiter zu reisen. Seitdem sucht die EU nach einem Kompromiss, der Ankunftsländer in Krisensituationen entlastet. Doch osteuropäische Staaten wie Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei lehnen die Flüchtlingsaufnahme prinzipiell ab.

Die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft nahm nun noch einmal einen Anlauf. Als Kompromissvorschlag präsentierte sie ein äußerst kompliziertes Konstrukt. Als Zugeständnis an die Osteuropäer ist die Umverteilung in einem mehrstufigen Verfahren nur das letzte Mittel. Einen Automatismus gibt es nicht. Um sie einzuleiten, müssen die Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit zustimmen.

Doch es blieb bei den tiefen und bekannten Gräben. Die Osteuropäer lehnten jegliche Umverteilung ab, die Südländer wollten viel mehr davon. Dass der Gipfel Ende Juni einen Kompromiss findet, ist nicht absehbar.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schraubte am Wochenende die Erwartungen bereits zurück. Zwar werde „mit Hochdruck“ an dem Dossier gearbeitet. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob wir das bis zum Europäischen Rat Ende dieses Monats schon schaffen.“

Die Frage ist, ob der Gipfel es weiter im Konsens versucht oder den Weg für Mehrheitsentscheidungen frei macht. Merkel scheint die Lust auf Konfrontation aber vergangen zu sein. Sie verweist auf die Entscheidung vom September 2015, als die Verteilung von 120 000 Flüchtlingen von den Innenministern per Mehrheit beschlossen wurde. Dies habe „nicht zu einer politischen Befriedung geführt“. Ein Merkel-Satz. Tatsächlich ging die Demonstration der Stärke, die auf deutschen Druck erfolgte, nach hinten los.

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