Neue Regierung in italien

„Ich bin mir meiner Grenzen bewusst“

von Redaktion

Italiens neuer Ministerpräsident Giuseppe Conte kündigt bei seiner Regierungserklärung einen härteren Asylkurs und soziale Maßnahmen an

Rom – Den staatstragenden Auftritt hat Italiens neuer Ministerpräsident schon drauf. Gestern hielt der politisch unerfahrene Juraprofessor Giuseppe Conte seine erste Regierungserklärung im Senat. 71 Minuten ließ er sich Zeit – so lange hatten nicht mal begnadete Redner wie die Ex-Premiers Matteo Renzi oder Giulio Andreotti bei der gleichen Gelegenheit gesprochen. Am späten Abend stimmte der Senat über die Vertrauensfrage ab – 171 Ja, 117 Nein, 25 Enthaltungen –, heute folgt das Abgeordnetenhaus.

„Ich bin mir meiner Grenzen bewusst“, sagte der 53-Jährige, der seine Rede im Stehen ablas und dabei wie eingekeilt wirkte zwischen den Mehrheitsaktionären der umstrittenen Koalition: Luigi Di Maio, Chef der Fünf-Sterne-Bewegung und Minister für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung, saß links von ihm, Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini rechts.

„Die erste Sorge der Regierung werden die sozialen Rechte sein“, sagte Conte, der der Fünf-Sterne-Bewegung nahesteht. Dazu zählen, wie im Koalitionsvertrag festgehalten, die Einführung eines Mindestlohns, ein Grundgehalt für Arbeitslose sowie eine Pensions-Reform. Über die Finanzierung der Maßnahmen sagte Conte: „Wir wollen das öffentliche Defizit reduzieren, aber nicht durch Austeritätspolitik, sondern mithilfe des Wachstums.“ Das italienische Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg 2018 bislang um 1,5 Prozent, das Staatsdefizit beträgt rund 132 Prozent des BIP. Ziel der Regierung sei es, ein ebenso starkes Wachstum zu erreichen wie andere EU-Länder, aber unter Berücksichtigung „finanzieller Stabilität“ und des „Vertrauens der Märkte“. Die Regierung plant zudem die Einführung niedriger, fester Steuersätze. Wann die Maßnahmen eingeführt werden, ist wohl noch unklar.

Wie Innenminister Salvini kündigte auch der Ministerpräsident zunächst eine harte Gangart gegen Ausländer an: „Wir werden dem Immigrations-Business ein Ende machen.“ Im Laufe seiner Ansprache gab Conte sich dann aber schon vorsichtiger. „Wir sind keine Rassisten und werden nie welche sein“, sagte er. Wer sich integriere und arbeiten wolle, sei willkommen. Flüchtlinge müssten gerechter auf die EU-Staaten verteilt, die Prozeduren zur Rückführung effektiver gestaltet werden.

Der Premier war darum bemüht, die beiden Herzen der Koalition auszutarieren. Bemerkenswert war sein Tribut an einen am Samstag in Kalabrien ermordeten Tagelöhner und Gewerkschaftler. Alle Fraktionen des Senats erhoben sich, um dem aus Mali stammenden Soumail Sacko (29) die Ehre zu erweisen.

Auch außenpolitisch versprach Conte Kontinuität und Brüche zugleich. Italien bleibe überzeugtes Mitglied der Nato und sehe in den USA seinen „privilegierten Alliierten“. Das Land wolle aber Förderer einer „Öffnung im Hinblick auf Russland“ sein. Italien verlangt etwa ein Ende der von der EU verhängten Sanktionen. Julius Müller-Meiningen

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