Staatsbesuch in Österreich

Putins Gratwanderung in Wien

von Redaktion

Von Matthias Röder und Friedemann Kohler

Wien – Im Kunsthistorischen Museum in Wien hängen sie nun einträchtig nebeneinander: Zarin Katharina die Große und die österreichische Herrscherin Maria Theresia. Die Porträts der beiden „Polit-Stars“ des 18. Jahrhunderts sind Glanzlichter einer Ausstellung mit Gemälden aus der Eremitage in St. Petersburg. Die Kunst hat eine Botschaft: Österreich und Russland, das ist eine spezielle Geschichte, von den Dynastien der Romanows und der Habsburger bis in die politisch höchst heikle Gegenwart. Die Alpenrepublik versucht aktuell eine Gratwanderung. Als Teil der EU die Wirtschaftssanktionen gegen Moskau mitzutragen, aber auch eigene, diplomatisch geschmeidige Akzente zu setzen.

Bei seinem Arbeitsbesuch am Dienstag in Wien, der ersten Auslandsreise als wiedergewählter Präsident, lobt Putin: „Auch in den letzten Jahren ist der Dialog trotz aller Schwierigkeiten nicht abgerissen.“ Österreichs Sonderrolle im Fall des vergifteten russischen Ex-Spions Sergej Skripal war besonders gut in Moskau angekommen.

Die mitregierende rechte FPÖ dürfte sich da in ihrer Linie bestätigt sehen: Sie setzt auf die Annäherung an Russland, in dem sie ein wesensverwandtes, vor allem anti-islamisches Bollwerk sieht. 2016 schloss die FPÖ einen fünfjährigen Partnervertrag mit der Putin-Partei „Geeintes Russland“. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache will ein Ende der wegen der Annexion der Krim erfolgten Sanktionen.

Anlass der Visite von Russlands mächtigstem Mann und seiner hochkarätigen Delegation war die gemeinsame Energie-Geschichte. Vor 50 Jahren hatten Österreich und die damalige Sowjetunion den ersten Gas-Liefervertrag unterzeichnet. Ein guter Anlass für Putin, für eine europaweite Fortsetzung dieser Tradition zu werben – durch Verwirklichung des umstrittenen Acht-Milliarden-Projekts Nord Stream 2. Die Ostsee-Pipeline soll künftig noch mehr russisches Gas nach Europa transportieren.

Einer der Investoren ist der teilstaatliche österreichische Energiekonzern OMV. Dessen deutscher Chef Rainer Seele sieht den Umstand steigender Abhängigkeit von Moskau ganz nüchtern. „Russland hat sich jahrzehntelang als äußerst verlässlicher Partner erwiesen. Eine Abhängigkeit ist dann kein Problem, wenn sie gegenseitig ist – wie in diesem Fall. Russland braucht diesen Markt“, sagte Seele vor dem Besuch.

Für Putin war der Besuch in Wien der dritte ranghohe Kontakt mit Staaten der EU binnen weniger Tage. Erst hatte er Bundeskanzlerin Angela Merkel in Sotschi zu Besuch, dann den französischen Präsidenten Emmanuel Macron in St. Petersburg. Eine Annäherung brachten diese Gespräche nicht.

Umso größer waren die russischen Hoffnungen auf den Besuch bei Kurz, den die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti einen „Wunderkanzler“ nannte. Wenn Österreich am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, bekommt es auch eine führende Rolle in der Sanktionsdiskussion. Kurz hat sich im Zusammenhang mit den Sanktionen immer für ein schrittweises Vorgehen ausgesprochen. Kleine Schritte der einen Seite sollten mit kleinem Entgegenkommen der anderen Seite belohnt werden. Der junge Kanzler rief zum „Dialog“ mit Russland auf.

Staatsgast Putin lobte das. „Sanktionen sind schädlich für alle“, sagte er in Wien. Strafmaßnahmen, politisch motivierte Beschränkungen und Protektionismus seien zur Regelung politischer Fragen ungeeignet.

Artikel 3 von 11