Vor fast zwei Jahren begann Theresa May nach dem Brexit-Referendum eine politische Gratwanderung, die sich inzwischen zum Ritt auf der Rasierklinge verengt hat. Die Tory-Premierministerin führt ein gespaltenes Land, eine gespaltene Partei und eine gespaltene Regierung. Abwechselnd wetzen die proeuropäischen Kräfte und die harten Brexiteers die Messer, um May Zugeständnisse bezüglich des künftigen Verhältnisses zur EU abzuringen. Zwischen „Raus aus allem“ und „Verbleib in Binnenmarkt und Zollunion“ ist noch alles möglich.
Doch die Verrenkungen, die die eiernde Lady machen muss, um eine Abstimmungsniederlage im Parlament zu verhindern, werden immer abenteuerlicher. Treffen britische Medienberichte zu, stand May bei der Abstimmung über den Verbleib im Binnenmarkt bereits ohne Mehrheit da. 14 Abgeordnete der konservativen Partei stimmten dafür, nur dank der Zerstrittenheit der konzeptionslosen Labour-Opposition wurde der Regierung ihrer Majestät ein Debakel erspart. Das nächste Damoklesschwert hängt über May in der Frage der Parlaments-Mitsprache beim Brexit-Abkommen. In einer Art Beichtstuhl-Verfahren hat sie die Rebellion der Proeuropäer wohl nur mit weitgehenden Konzessionen abwenden können – die sie einen Tag später wieder infrage stellte. Dieses Versteckspiel geht nicht mehr lange gut.
Alexander Weber
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