Im epischen Ringen mit Angela Merkel um die deutsche Asylpolitik hat die komplett in Berlin versammelte CSU-Spitze gestern das „Endspiel“ ausgerufen – und zwar in Wort und Tat. Söders verbaler Kampfansage („wir sind im Endspiel um die Glaubwürdigkeit“) ließ die CSU ein Ultimatum an die Kanzlerin folgen, das für einen Kompromiss in letzter Minute nur noch wenig Raum lässt. Denn nicht nur im Fußball, auch in der Politik gilt: Endspiele enden nicht remis. Sondern mit Siegern – und Verlierern.
So zerrüttet ist das Verhältnis, dass letzte Einigungsversuche im Streit um die von der CSU gewollten Zurückweisungen an den Bundesgrenzen scheitern mussten: In Merkels Angebot, vor nationalen Grenzschließungen doch den EU-Flüchtlingsgipfel in zwei Wochen abzuwarten, erblickt man in der CSU nur den Versuch, auf Zeit zu spielen. Umgekehrt will die Kanzlerin keinen Vorratsbeschluss akzeptieren, der für den Fall eines Scheiterns des EU-Gipfels schon jetzt eine nationale Antwort programmiert. Wenn übers Wochenende nicht noch ein Wunder geschieht, wird CSU-Chef Seehofer am Montag also – gegen Merkels Willen – seinen Masterplan Asyl in Kraft setzen. Nach allen Gesetzen der politischen Logik müsste die Regierungschefin ihn dafür entlassen, woraufhin wiederum die CSU der Kanzlerin die Unterstützung entziehen würde. Alles was darauf folgen könnte, ist nach sämtlichen Maßstäben der deutschen Parteien- und Parlamentsgeschichte so grundstürzend wie Merkels Flüchtlingspolitik: Zusammenbruch der Regierung? Auflösung der Union von CDU und CSU? Einmarsch der CDU in Bayern? Neuwahl im Bund oder eine neue Merkel-Regierung ohne CSU, aber mit den Grünen? Oder Ablösung Merkels und Fortführung der Großen Koalition mit Kanzler Schäuble?
Wer das alles für eine große Verrücktheit hält, kennt die CSU schlecht, kennt nicht ihre Angst vor der Bayernwahl und auch nicht die Kaltblütigkeit, mit der sie sich gegen ihren Untergang stemmt. Die CSU hat sich entschlossen, volles Risiko zu gehen. Sie stellt die CDU vor die Wahl, entweder Angela Merkel zu opfern – oder die Einheit der Union. Und hofft, dass sich die CDU angesichts der veränderten Stimmung in Volk und Partei für die kleine Schwester entscheidet. Das Endspiel ist angepfiffen.
Georg Anastasiadis
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