Berlin – Dietmar Nietan hat erstaunlich gute Laune so früh am Morgen, um halb acht beim Frühstück im Bundestagsrestaurant. Der Schatzmeister der SPD grübelt seit Monaten über Sparplänen. Allein die komplizierte Regierungsbildung mit Sonderparteitagen und dem SPD-Mitgliedervotum hat rund vier Millionen Euro extra gekostet.
Noch so ein Sonderparteitag und Nietan hätte wohl in die Tischkante gebissen – so teuer hat er sich das mit der innerparteilichen Demokratie nicht vorgestellt. Ihm fehlen wegen des Absturzes auf 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl auch noch jährlich 1,6 Millionen aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Das ist die wichtigste Einnahmequelle mit rund einem Drittel Anteil, danach folgen die Mitgliedsbeiträge. Dass Nietan vorerst nicht ans Tafelsilber ran muss – die Sozialisten in Frankreich mussten sogar die Parteizentrale verkaufen – liegt auch am Einsatz von Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles.
Die hat in kleiner Runde mit ihren Koalitionskollegen Volker Kauder (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) beschlossen, dass die Geldsorgen gelindert werden – auf Kosten der Steuerzahler. Die beiden größten Wahlverlierer Union und SPD wollen die Parteienfinanzierung ausweiten. Von 165 auf 190 Millionen Euro. Davon profitieren auch die Oppositionsparteien, aber in der Summe besonders Union und SPD.
Begründet wird die Rekorderhöhung der Zuschüsse von Union und SPD primär mit gestiegenen Ausgaben für soziale Medien – die Kommunikation via Facebook, Twitter und YouTube sei halt viel aufwendiger geworden. Zudem steigen Ausgaben zum Schutz gegen Hackerangriffe. Und sicher: In Zeiten, in denen die Demokratie unter Druck gerät, ist eine vernünftige, weitgehend unabhängige Ausstattung der Parteien wichtig. Es ist ein anderes Finanzierungssystem als in den USA, wo Millionäre mit Spenden massiv die Politik beeinflussen. Allerdings würden einem auch viele Alternativen zur geplanten Erhöhung einfallen: Doppelstrukturen abschaffen, weniger teure Parteitagsinszenierung, kleinere Vorstände oder weniger in Auftrag gegebene Umfragen.
Und selten wurde ein nicht dringend notwendiges Gesetz mit so viel Tempo durch den Bundestag gepeitscht. Vergangene Woche wurde das von FDP, AfD, Linken und Grünen scharf kritisierte Hauruck-Vorhaben publik. Gerade mal eine Woche später soll es nun am heutigen Freitag im Bundestag final beschlossen werden.
Die Linke prüft bereits eine Normenkontrollklage gegen das Vorhaben. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, kritisiert: „Die Koalition schiebt etliche gesellschaftliche Themen auf die lange Bank, aber die eigenen Probleme beseitigt sie in neun Werktagen“.
Die Staatsrechtlerin Sophie Schönberger von der Universität Konstanz hält das Ganze für verfassungswidrig. So eine starke Anhebung wäre „nur bei einschneidenden Veränderungen“ rechtens, die es nicht gebe. Zudem könne der Eindruck einer „Selbstbedienungs-Mentalität“ entstehen.
Übrigens: Die SPD hat für 2016 sogar ein Reinvermögen von 217,5 Millionen Euro angegeben, hat also durchaus erhebliche Rücklagen. Allein 102,4 Millionen Euro macht der Immobilienbesitz aus, dazu rund 10 Millionen Beteiligungen, etwa an Zeitungen. An Einnahmen erzielte die SPD 156,7 Millionen Euro, davon 50,7 Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung und 49,2 Millionen von den Mitgliedern. Die Ausgaben betrugen 2016 rund 141 Millionen Euro.