Von Widerspruch lässt sich Horst Seehofer ungern beirren. Ausnahme: Horst widerspricht Seehofer. Zwei diametral unterschiedliche Zitate des CSU-Chefs umreißen die Unions-Debatte. Mit der Kanzlerin könne er „nicht mehr arbeiten“, soll er Mitte der Woche in kleiner Runde geschimpft haben. Niemand habe ein Interesse, „die Kanzlerin zu stürzen“, erklärt er am Sonntag. Ein Widerspruch – aber erklärbar: Tatsächlich hat sich im Lauf dieser Woche die Lage für die CSU erheblich geändert.
Der Versuch, Merkel die Asylpolitik zu entwinden, unter Inkaufnahme notfalls ihres Sturzes, war anfangs aussichtsreich, verlor aber an Wucht, als die CDU-Fraktion sich nach längerem Zögern hinter der Kanzlerin sammelte. Seehofer hat erfasst: Kurzfristig käme die CSU an dieser Stelle nur brachial weiter. Sie kann die Regierung verlassen und in Chaos stürzen, auch die Einheit der Unionsparteien für immer zerbrechen. Dieser Preis wäre aber zu hoch. Das bedeutet nicht, dass die Debatte um die Kanzlerin oder wenigstens den überfälligen Schlussstrich unter ihre Politik damit beendet wäre, lässt aber beiden Seiten einen Moment zum Atemholen.
Für Merkel dürfte die letzte Chance anbrechen, bis Ende Juni eine tragfähige europaweite Flüchtlingspolitik zu finden. Sie hat völlig Recht damit, dass eine internationale (notfalls binationale) Lösung weit besser wäre als ein deutscher Alleingang; so wie die CSU völlig Recht damit hat, dass die Menschen das nun seit drei Jahren währende Vertrösten auf Irgendwann zutiefst leid sind. Die CSU ist in dieser Lage gut beraten, in der Sache der Zurückweisungen hart zu bleiben, etwa mit einem Grundsatzbeschluss des Parteivorstands. Sie sollte Merkel aber diese zwei Wochen Verhandlungszeit zugestehen.
Christian Deutschländer
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