Kanzlerin in der Zwickmühle

Zwischen Micky Maus und Monster

von Redaktion

Von Jörg Blank, Ruppert Mayr und Marco Hadem

Beirut – Gibt es nun ein Ultimatum für Angela Merkel oder nicht? „Unsinn! Es gibt kein Ultimatum“, sagt CSU-Chef Horst Seehofer. Die Kanzlerin habe um zwei Wochen Zeit gebeten, um bilaterale Abkommen in der EU zur Zurückweisung von bereits registrierten Flüchtlingen an der Grenze zu erreichen. Und weil der CSU-Vorstand einen guten Stil pflege, habe er einer solchen Bitte entsprochen, so Seehofer. „Plötzlich wird eine Bitte der Kanzlerin zum Ultimatum von Horst Seehofer umgedeutet. Die Kanzlerin hat sich selbst eine Frist gesetzt“, stellt er klar.

Wenn die Kanzlerin in dieser Zeit „eine wirkungsgleiche europäische Lösung gelingt, brauchen wir keine nationale. Wenn nicht, bin ich entschlossen zu handeln“, legt Seehofer nach. Er lasse sich seinen Masterplan Migration „nicht zusammenstreichen“. Mit 62 1/2 von 63 Punkten seines Planes habe die Kanzlerin auch kein Problem. „Bei dem ausstehenden halben Punkt wird aus einer Micky Maus ein Monster gemacht.“ Der „SZ“ sagte Seehofer zudem, es sei „höchst ungewöhnlich gegenüber dem Vorsitzenden des Koalitionspartners CSU, mit der Richtlinienkompetenz zu drohen. Das werden wir uns auch nicht gefallen lassen.“

Solche Sprüche zeigen, dass Seehofer die Drohung Merkels getroffen hat. Und sie können das Tischtuch zwischen Merkel und Seehofer ganz zerschneiden, selbst wenn die politische Ratio die Chefs der beiden Unionsparteien immer wieder irgendwie zusammengehalten hat. Seehofer warnt Merkel vor der Entlassung und vor einem Aus für die neue Große Koalition. Die Kanzlerin ihrerseits fordert CDU und CSU in der ihr eigenen Art – aus dem Libanon – trocken auf, zur Sacharbeit zurückzukehren.

Merkel kämpft an vielen Fronten in diesen Schicksalstagen – sie ist in der Zwickmühle wie wohl noch nie in den bislang 13 Jahren ihrer Regierung. Da sind die rebellische CSU und die störrischen Partner in der EU. Ganz zu schweigen von den internationalen Problemen etwa mit US-Präsident Donald Trump und dessen Kurs gegen einen offenen Welthandel.

Seehofer und die meisten in der CSU-Spitze halten Merkels Flüchtlingspolitik schon lange für fatal und den entscheidenden Grund, warum die Rechtspopulisten von der AfD so stark geworden sind. In der CSU wird dieser Tage gerne die Parteiikone Franz Josef Strauß zitiert: „Rechts neben der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben.“ Der Grundsatz sei noch immer gültig, heißt es. „Aber die Realität sieht leider anders aus. Ein Grund dafür ist das eigene Verhalten. Wir erleben seit 2015 einen dauerhaften Substanztransfer“, schreibt Bayerns CSU-Regierungschef Markus Söder in einem Gastbeitrag für die „Welt“.

Dem CSU-Chef Seehofer sitzt auch Söder im Nacken, der wie alle in der Partei um die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl am 14. Oktober fürchtet. Es scheint fast so, als wollten die CSU-Granden um jeden Preis verhindern, dass Merkel bei ihren Verhandlungen um eine europäische Lösung für Zurückweisungen an deutschen Grenzen greifbare Fortschritte erreicht. Seehofer und Söder nölen quasi an jedem Schritt Merkels in diese Richtung herum. Will die CSU-Spitze Merkel einfach nur loswerden? Der Asylstreit könnte die Fraktionsgemeinschaft der Union im Bund tatsächlich zerstören, unkt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

Andererseits: Könnte Merkel nicht irgendwann genug haben und in dem Streit mit der kleinen schwarzen Schwester hinschmeißen? Nichts ist ausgeschlossen – aber ein solcher Schritt wäre doch eher untypisch für die Kanzlerin. Zumal sie in der vergangenen Woche in einer Sondersitzung die allermeisten CDU-Abgeordneten hinter sich versammelt hat. Und in der CDU gilt immer noch die Regel: versucht jemand, die „Chefin“ zu beschädigen, schließen sich die Reihen. Selbst wenn es in der eigenen CDU mehr als genug Unzufriedenheit mit Merkel gibt.

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