Bis vor einigen Tagen hätte man denken können, dass die Bundesrepublik von einer Koalition aus CDU und CSU regiert wird. Denn im Asyl-Streit, der ja vor allem ein Unions-Streit ist, tauchte der ebenfalls an der Regierung und ihren Entscheidungen beteiligte Koalitionspartner SPD kaum auf. Das hat Gründe, die den Genossen größtmöglichen Kummer bereiten müssen.
Die Partei hat im Themenfeld Asyl und Migration zwar gesprächige Ex-Vorsitzende, aber noch immer keine klare Linie. Bezeichnend: Während viele ihrer Wähler inhaltlich näher bei CSU oder AfD stehen, hielt die SPD-Delegation den Familiennachzug für Geflüchtete für GroKo-entscheidend. Und während im Koalitionsvertrag Zentren für das schnellere Durchführen von Asylverfahren vorgesehen sind, verschleppen oder verweigern SPD-Ministerpräsidenten deren Umsetzung auf Länderebene. Dazu kommen strategisch-mediale Schnitzer: Ihren eigenen (dünnen) Fünf-Punkte-Plan zur Asylpolitik legte die Parteispitze just am Sonntag vor, als wirklich alle Aufmerksamkeit auf den Sitzungen von CDU und CSU lag.
Die Folgen dieser roten Orientierungslosigkeit? Erstens: Die Partei ist zerrissen zwischen dem idealistisch-humanitären Anspruch vieler Funktionäre (den Partei- und Fraktionschefin Nahles nicht unbedingt teilt) und der skeptischeren Einschätzung etlicher (Ex-)Anhänger. Zweitens: Die Union sieht die SPD nicht mehr als trittsicheren Partner, sondern als im Zweifel stets irgendwie zustimmenden Mehrheitsbeschaffer. Wie zum Beweis tänzeln führende SPDler nun um Begrifflichkeiten (Transit- oder Expresszentrum?) – statt endlich laut und klug und selbstbewusst eine sozialdemokratische Antwort auf die Herausforderungen durch Flucht und Migration zu geben.
Maximilian Heim
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