Warum Seehofer nicht auf Salvini bauen sollte

von Redaktion

In Rom rätselt man über den deutschen Asylkompromiss und fürchtet Grenzkontrollen am Brenner

Rom – Mit ungläubigem Staunen blickt Italien nach Berlin. Regierungskrisen mit abgründigen Intrigen, wirren Volten und nächtlichen Dramen: Eigentlich – da war man sich bislang sicher – könne einem wenigstens in dieser Kunstfertigkeit niemand die Schau stehlen. Dass sich ausgerechnet Deutschland, das hier noch immer als Oase der politischen Stabilität gilt, einen derartigen Showdown zwischen Kanzlerin und Innenminister leistete, ließ die Beobachter perplex zurück.

Anfängliche Häme im Lager der Populisten-Koalition aus ultrarechter Lega und euroskeptischer „Fünf-Sterne-Bewegung“ wich schnell der Sorge vor einem chaotischen Ende der Ära Merkel und einem längeren Machtvakuum beim wichtigsten EU-Partner. Immerhin: Der Name Seehofer ist nun auch der italienischen Öffentlichkeit bekannt.

Premier Giuseppe Conte, der mit Angela Merkel auf dem Brüsseler Gipfel noch heftig gerungen hatte, enthielt sich jeden Kommentars. Selbst Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini, wahrlich kein Fan der Deutschen, hielt sich mit bissigen Tweets auffallend zurück. Zu groß war die Unsicherheit im Regierungslager, wie sich der Asylkompromiss von CDU und CSU in der Praxis auf den Stiefel auswirken würde. Zu tief sitzt die Angst, dass Italien durch die „Rückkoppelungseffekte“ an den Grenzen nach Norden einmal mehr Leidtragender sein werde. Die erneute Drohung des Nachbarn Österreich mit einer Blockade am Brenner versetzt nicht nur die italienische Wirtschaft in Alarmstimmung. „Wenn jetzt jeder Laster, jedes Auto kontrolliert wird, dann ist das für die Wirtschaft ein großer Schaden. Das hat katastrophale Auswirkungen auf die Wirtschaft. Das kostet viel Zeit und Geld“, sagte der Bürgermeister der Gemeinde Brenner, Franz Kompatscher.

EU-Parlamentspräsident Tajani, Staatpräsident Mattarella und der neue Außenminister Moavero Milanesi warnten daher Wien eindringlich vor einseitigen Schritten. Scharfmacher Salvini hingegen kommentierte die Forderungen Österreichs nach einem Rückführungsabkommen ironisch: „Für uns wäre das ein gutes Geschäft.“ Es seien mehr Migranten, die Italien an Österreich abzugeben habe als umgekehrt. „Ich bin bereit, ab morgen die Kontrollen am Brenner wieder einzuführen, weil wir dadurch nur gewinnen können.“ Zur deutschen Forderung nach einem Abkommen will man sich in Rom lieber nicht festlegen; hier dürfte die Bilanz für Italien weniger angenehm ausfallen.

Mit viel Entgegenkommen seines Amtskollegen sollte Seehofer, wenn er demnächst zu Verhandlungen aufschlägt, nicht rechnen. In der Rhetorik, den Zufluss der Migranten nach Europa einzudämmen, ist man sich zwar einig. Doch das Problem liegt im Detail. Hier gilt seit Machtübernahme der fremdenfeindlichen Populisten frei nach Trump: „Italia first!“ Auf Anordnung Salvinis bleiben Italiens Häfen für ausländische Rettungsschiffe gesperrt; Hilfsorganisationen, die das Verbot missachten, werden strafrechtlich verfolgt.

CSU-Generalsekretär Markus Blume droht deshalb schon einmal vorsorglich. „Italien muss wissen: Wenn es kein Abkommen gibt über die Rücknahme von Asylbewerbern, für die Italien zuständig ist, werden wir an der deutsch-österreichischen Grenze zurückweisen“, sagte er der „SZ“. Deutschland dürfe „nicht der Dumme sein“. Ingo-Michael Feth

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