Nach dem Helsinki-Gipfel

Beging Trump „Hochverrat“?

von Redaktion

Von Friedemann Diederichs

Washington – Die Schilder der Demonstranten, die sich vor dem Weißen Haus einfinden, lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. „Chef-Verräter“ ist da ebenso zu lesen wie „Lügner“ oder „Enthebt ihn des Amtes“. Die Wogen schlagen hoch nach dem Treffen von Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin in Helsinki – und der gemeinsamen Pressekonferenz, in der der US-Präsident klargemacht hat: In Sachen Wahlbeeinflussung glaubt er Putin, dem früheren KGB-Offizier, mehr als den eigenen Geheimdiensten oder seinem Geheimdienst-Direktor Dan Coats.

Die Reaktionen kommen prompt und in einer Härte, die an die Ära Richard Nixon und den Watergate-Skandal erinnert. Trump sei „der Feind der Bürger“ geworden, analysiert Max Boot, einer der angesehensten Sicherheitsexperten in den USA, in der „Washington Post“. Boot glaubt, dass die Zweifel an der Loyalität des Präsidenten nun noch zunehmen werden. Die „New York Times“ stellt wie andere Medien sogar die Frage, ob sich Trump des Hochverrats schuldig gemacht hat.

Vor dem zweistündigen Vieraugengespräch mit Putin und der anschließenden 46-minütigen Pressekonferenz, die nun aufgrund ihrer Brisanz in die Geschichte eingehen wird, hatten Trumps Berater Berichten zufolge den Präsidenten mit mehr als 100 Seiten Memoranden und Argumentationsmaterial versorgt – und Trump aufgefordert, gegenüber Putin vor den Augen der Weltpresse Härte zu zeigen. Doch am Ende habe der US-Präsident, der meist auf das Lesen interner Papiere verzichtet, improvisiert.

Das Resultat ist nun bestens bekannt: Rückendeckung für Putin, während die Dienste der USA „unter den Bus geworfen“ worden seien, wie es Kritiker formulieren. Der republikanische Senator Lindsey Graham versucht sich wie viele andere an einer Deutung des unberechenbaren Trump-Verhaltens, der zuvor beim Nato-Treffen in Brüssel und dann in London durch sein Auftreten und seine undiplomatischen Ausfälle gegenüber Alliierten wie Angela Merkel und Theresa May für maximale Verstimmung gesorgt hatte. Trump fühle wohl, dass jede Kritik am Vorgehen Russlands seinen Wahlsieg unterminieren würde, analysiert Graham. Andere sehen persönliche Motive: Er habe schlicht seine Eitelkeit und Eigeninteressen über das Land und den Nationalstolz gestellt. Das konservative „Wall Street Journal“ spricht gar von einer „Trump first“-Doktrin.

Die Reaktionen zeigen nun nicht nur eine Flutwelle der Kritik im Lager der Demokraten, sondern auch eine Distanzsuche der eigenen Partei zum mehr und mehr ungeliebten Präsidenten. Selbst beim Haussender Fox News, der sonst ungeniert täglich die politische Gestaltungskunst des Präsidenten lobt, gibt es erste Fluchterscheinungen. Dass Trump öffentlich sage, dass er einem anderen Regierungschef mehr glaube als den eigenen Diensten und die US-Justiz heftig attackiere, sei „schockierend“.

Zum verheerenden Gesamteindruck trug auch bei, dass er den kuriosen Vorschlag Putins lobte, man könne doch die von Washington des Hackens beschuldigte russische Geheimdienstmitarbeiter in Moskau durch russische Ermittler vernehmen lassen. Der US-Präsident habe sich von einem KGB-Mann, so rügt der republikanische Abgeordnete und ehemalige CIA-Mitarbeiter Will Hurd, „über den Tisch ziehen lassen“. Noch schärfere Worte findet John Brennan, unter Barack Obama Geheimdienstdirektor: Trumps Verhalten erfülle die Straftatbestände des Hochverrats.

Auffällig oft ist zu hören, nun sei der Kongress am Zug. Diese Aussagen sind ein mehr oder weniger dezenter Hinweis darauf, die Republikaner sollten sich entweder von Trump distanzieren, diesen zum Rücktritt drängen oder ein Amtsenthebungsverfahren der Demokraten unterstützen. Als Schadensbegrenzungs-Versuch trifft er sich gegen Mittag auf Drängen seiner Berater überraschend mit Presservertretern im Weißen Haus und versucht, die Gipfel-Bemerkungen zu relativieren: Er habe sich nur versprochen und versehentlich das Gegenteil gesagt. Er akzeptiere die Schlussfolgerungen der Geheimdienste, dass eine russische Einflussnahme stattgefunden habe. Er werde künftige Manipulationsversuche mit allen Kräften bekämpfen.

Ein solcher Teil-Rückzug schien am Morgen noch unwahrscheinlich. Da twitterte er über ein großartiges Nato-Treffen und ein noch besseres Treffen mit Putin. Leider werde dies nicht so berichtet – die „Fake News“ spielten „verrückt“. Stunden später lud er die „Fake News“ zum Gespräch.

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