München – Ungebetenen Besuch hat die CSU in ihrer neuen Parteizentrale häufiger. Alle paar Wochen demonstrieren die Grünen, ab und zu hängen Kleinparteien mit dem Kranwagen Banner an die Fassade. Die Mitarbeiter reagieren meist mit einem Achselzucken. An die Attacke der AfD von Herbst 2017 erinnert sich die Parteispitze aber genau. Unmittelbar vor dem Bürogebäude platzierte ein Verein teils hämische Wahlplakate. Teil der Kampagne war unter anderem: „Franz Josef Strauß würde AfD wählen.“
Wer sich ernsthafter mit Strauß und seinen Ideen beschäftigt hat, muss das für Unfug halten. Intern wurde aber länger gerungen, wie die CSU reagieren soll. Am Ende verfügte Parteichef Horst Seehofer: gar nicht. „Alles Provokation. Und man sollte in der Politik auf Provokationen nicht hereinfallen.“
Echt nicht? Oder doch? In der Zwischenzeit hat die CSU ihre Meinung korrigiert. Der AfD-Spruch wurde am Dienstag auf Facebook neu verbreitet – und diesmal reagiert die CSU, schaltet Anwälte ein. „Wir werden rechtlich und politisch gegen den Missbrauch von Franz Josef Strauß durch die AfD und durch AfD-nahe Vereine vorgehen“, sagt Generalsekretär Markus Blume unserer Zeitung.
Nein, das ist nicht einfach eine Posse. Die Strauß-Sache steht stellvertretend für einen mehrfachen Strategiewechsel. Die CSU sucht schon länger nach dem richtigen Rezept. Vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 galt „Ignorieren“ als Vorgabe. Ergebnis für die AfD: landesweit 12,4 Prozent der Zweitstimmen. In der CSU setzte sich daraufhin ein scharf nach rechts gerichteter Kurs durch. Leitgedanke jetzt: der AfD die Themen abnehmen, Wähler zurückholen. Im Mai entschied sich Blume sogar für einen Frontalangriff. Mit Vertrauten schrieb er ein Strategiepapier für die Vorstandsklausur, das die AfD als „unbayerisch“ brandmarkt. „Die AfD ist ein Feind von allem, für das Bayern steht.“ Und: „Brauner Schmutz hat in Bayern nichts verloren.“ Einen „harten Kampfkurs“ versprach er.
In dieser Schärfe war die Attacke einmalig, keine Wiederholung geplant. Doch an den Umfragen änderte sie auch nichts: 10 bis 14 Prozent, eher steigend. Seither wirkt die CSU nervös. Im Juni spitzte sie die Wortwahl zu („Asylgehalt“, „Asyltourismus“) und fokussierte sich auf dieses Thema. Jetzt, im Juli, ist sie in Person des Ministerpräsidenten Markus Söder auf Gegenkurs: sanfter reden, breiter aufstellen. Gleichzeitig versucht er in Bayern, mit neuen Sozialleistungen für Ältere, Kranke oder Geringverdiener der auf Asyl fokussierten AfD kein frisches Thema zu lassen.
Erfolgreich? Heute erscheint der neue „Bayerntrend“ des BR, die wichtigste Umfrage des Landes. 12 bis 14 Prozent AfD sind zu erwarten. In der CSU kursiert zwar die Hoffnung, der Scheitelpunkt sei erreicht, doch der Einzug in den Landtag gilt als sicher. „Wir haben das Rezept noch nicht gefunden“, gesteht ein hoher CSUler.
Vielleicht gibt es das auch nicht mehr. Der Dresdner Extremismusforscher Werner Patzelt, der im Mai schon mal vor der CSU-Spitze referierte, zieht einen drastischen medizinischen Vergleich: „Wenn Krebs ein bestimmtes Stadium erreicht hat, schlägt oft keine einzige Therapie mehr an. Man sollte sich also mit der Möglichkeit vertraut machen, dass die AfD in einem Stadium ist, in dem gar keine Strategie mehr gegen sie hilft.“ Patzelt rät der CSU, ihre Lösungskompetenz in den Vordergrund zu stellen und die Wortwahl zu mäßigen.
Generalsekretär Blume ist in diese Richtung unterwegs. „Unsere Strategie ist: Wir machen Politik aus der eigenen Stärke und aus eigener Überzeugung“, sagt er. Die Asylwende sei eingeleitet. Die AfD habe kein Konzept, „nicht mal zur Lösung der Migrationskrise“. Klar ist vielen in der CSU aber auch: Der Eindruck, das Migrationsproblem sei gelöst, ist bei den Bürgern nicht angekommen. Die Zeit ist extrem knapp, das bis Oktober zu vermitteln. Andere Themen, wo man die AfD vorführen könnte, verfangen bisher nicht.
Einen Hoffnungsschimmer bietet ausgerechnet die Kirchenpolitik. In ihrem neuen Wahlprogramm fordert Bayerns AfD, die Staatskirchenverträge zu kündigen, keine Geistlichen mit Steuermitteln zu bezahlen und Zuschüsse nur noch „zur Pflege sakraler Baudenkmäler als Bestandteil der Kulturgeschichte“ zu geben. Kirchen seien doch nur „Lobbygruppen“.
Söders CSU, die sich neulich noch wegen des Kreuzerlasses mit Bischöfen und Kardinälen überworfen hatte, dürfte sich bald ihrer christlichen Wurzeln entsinnen.