Zwischen Totengräbern und Leisetretern

von Redaktion

Auch die Freien Wähler verordnen sich nun eine vorsichtigere Wortwahl in der Asyldebatte – Arbeitsverbot soll fallen

München – In der langen Liste an Merkel-Beleidigungen aus Bayern rangiert einer weit vorne, der gar nicht in der CSU ist. Die Kanzlerin mache sich zur „Totengräberin der inneren Sicherheit“, tobte Hubert Aiwanger im Juni. Ultimativ forderte der Parteichef der Freien Wähler Zurückweisungen an den Grenzen. Im Fall Sami A. schimpfte er am Wochenende auf „verkehrte Vertreter von Regierung und Justiz“. Wenn die so weitermachten, „fliegt uns der Laden um die Ohren“.

Kein Leisetreter also – doch genau dieser Hubert Aiwanger verkündet nun am Dienstag in München etwas überraschend, seine Partei sei auf einem „Kurs der starken Mitte“ zu verorten. Alle Seiten müssten „verbal abrüsten. Wir Freien Wähler wollen zu einer Beruhigung der Debatte beitragen“. Anders als die CSU, „die hin- und herwedelt wie ein Hundeschwanz“.

Hund hin oder her – Aiwangers Mäßigungsaufruf erinnert stark an den jüngsten Stilwechsel der CSU. Dort hatte Ministerpräsident Markus Söder vergangene Woche versprochen, die Wortwahl zu entschärfen. In CSU und CDU, tief im demoskopischen Tal, findet derzeit eine neue Formation der „Union der Mitte“ mediale Beachtung, die für einen milderen Asylkurs wirbt. Die innerparteiliche Lage ist ja ähnlich: Wie die Union, muss auch Aiwanger intern die Bandbreite zwischen Willkommenskultur und Abschottung abdecken. Blinkt er rechts, wie mit dem „Totengräber“-Zitat, gibt es sofort Widerspruch. Nur: Was sich in der CSU zum Beispiel Gerd Müller und Alexander Dobrindt an Bandbreite aufteilen, adressiert er weitgehend alleine.

Aiwanger und der Jurist Alexander Hold, Spitzenkandidat in Schwaben, veröffentlichen nun ein Positionspapier zur Asylpolitik. Auffällig daran: Die Freien Wähler legen sich auf einen völligen Wegfall des Arbeitsverbots fest. „Jeder Flüchtling muss möglichst schnell eine sinnvolle Beschäftigung bekommen“, heißt es darin, „und zwar unmittelbar nach seiner Ankunft.“ Kleinere Aufgaben sollten auch Migranten aus sicheren Drittstaaten sofort übernehmen dürfen. Die Partei, die im Landtag, nicht aber im Bundestag vertreten ist, stellt sich auch klar gegen den Aufbau von Ankerzentren. Von „Etikettenschwindel“ spricht Hold. „Teilweise werden Flüchtlinge über Jahre dort wohnen.“ Massive Spannungen innerhalb und massive Belastungen für die Bevölkerung außerhalb der Ankerzentren seien die Folge. „Dezentralität funktioniert überall besser“, sagt Hold.

Die Freien Wähler stellen sich hinter ein neues Einwanderungsrecht für Qualifizierte. Abgeschoben werden sollten Flüchtlinge dann nicht mehr, wenn sie gut integriert sind. Weitere Details aus dem Konzept: Die Fingerabdruck-Dateien sollen europaweit zentralisiert, Sprachkurse sollen besser evaluiert und Entwicklungsgelder von Rückführungsabkommen abhängig gemacht werden. Zumindest EU-weit sollen gleiche Asylstandards gelten.

Aiwangers zahme Formel im Konzept: „Arbeit an der Sache muss endlich wieder im Mittelpunkt stehen anstatt krankhaftem Hecheln nach Aufmerksamkeit.“ Auf seine Strategie angesprochen, sagt der Parteichef: „Eine Position der Mitte ist der einzige Weg, um arbeitsfähige Mehrheiten bei diesem Thema zu finden“. Ob die CSU jetzt links oder rechts von ihm sei, „das ist mir auch wurscht“.  cd

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