Dem von den Behörden als Gefährder eingestuften und nach Tunesien abgeschobenen ehemaligen Bin-Laden-Leibwächter Sami A. muss Deutschland wahrlich keine Träne nachweinen. Ob das Verwaltungsgericht, das die Abschiebung untersagte (aber mit seinem Urteil zu spät kam), von wem auch immer vorsätzlich getäuscht wurde, ist dennoch aufzuklären. Weil in einem Rechtsstaat die vollziehende Gewalt Richtersprüche nicht ignorieren darf. Auch dann nicht, wenn sie für viele Bürger unverständlich, ja provozierend scheinen mögen.
Den Grünen, die sich über die angeblich staatlich angeordnete „Entführung“ von Sami A. gar nicht genug ereifern können, gerade so, als hätten nicht die Behörden in NRW, sondern Seehofer persönlich die Abschiebung angeordnet, muss dennoch gesagt werden: Der Rechtsstaat wird nicht nur „gebeugt“, wenn Behörden Justizentscheidungen missachten. Der Rechtsstaat wird von innen ausgehöhlt, wenn man ihn überfordert und zum Rechtswegestaat mit ausufernden, teils jahrelangen Verfahren auch für jene macht, die erkennbar keine Bleibeperspektive besitzen.
Auch wenn ihr Berliner Hausbesetzerflügel es nicht gerne hört: Die Grünen sind über ihre Regierungsbeteiligung in den Ländern und ihre Blockademacht im Bundesrat ein bestimmender Teil dieses Rechtsstaates. Auch sie, nicht nur der viel gescholtene Bundesinnenminister, tragen Verantwortung dafür, dass die Polarisierung in der Bevölkerung nicht weiter zunimmt. Die Große Koalition hat gestern einen neuen Anlauf unternommen, um die Maghrebstaaten Tunesien, Marokko und Algerien wegen der niedrigen Asyl-Anerkennungsquoten für Migranten aus diesen Ländern zu sicheren Herkunftsstaaten mit schnelleren Verfahren zu erklären. Für die Grünen ist das der Lackmus-Test, ob auch sie bereit sind, sich an der notwendigen Ordnung der Einwanderungspolitik zu beteiligen. Oder ob sie faktisch lieber für ein „Bleiberecht für alle“ streiten.
Georg Anastasiadis
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