Auf dem Fußballfeld machte sich Mesut Özil einen Namen als Filigrantechniker. Als gnadenloser Eisenfuß mit Hang zum Revanchefoul ist er bislang nicht in Erscheinung getreten. Diese Eigenschaften offenbarte der gebürtige Gelsenkirchener erst jetzt im zweiten Teil der Kontroverse um seine Wahlhilfe für den türkischen Präsidenten Erdogan. Und hier entwickelte der Fußballspieler mit Hilfe seiner Berater eine Offensivkraft, die nicht zuletzt die Führung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) schwer erschüttern dürfte. Seine im Laufe des gestrigen Tages veröffentlichten drei Botschaften folgten einer gezielten Strategie, die in eine Eskalation der Vorwürfe mündete. Die Hauptzielscheibe des provokant Uneinsichtigen: DFB-Präsident Reinhard Grindel.
Dass sich Özil zum Sündenbock abgestempelt fühlt, mag noch nachvollziehbar sein. Klar, er ließ sich willfährig vor den politischen Karren des Anti-Demokraten Erdogan spannen, und die darauffolgende Diskussion belastete den WM-Auftritt der deutschen Elf. Özil die Hauptschuld für das peinliche Scheitern zu geben, ist dennoch unangebracht. Doch nun entwickelte der Deutsch-Türke, der als Musterbeispiel für Integration in Deutschland galt, die inakzeptable Maßlosigkeit des zutiefst Gekränkten. Er spricht von Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Respektlosigkeit. Startet einen Rundumschlag gegen DFB, Sponsor, Medien, auch Teile der Fans. Fast hat es den Anschein, als würde er sich von Deutschland verabschieden. Konsequenterweise ist Özil aus der Nationalmannschaft zurückgetreten. Doch für die wäre er ohnehin nicht mehr tragbar gewesen.
Armin Gibis
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