Überfüllte Notaufnahmen

Per Servicenummer zum richtigen Arzt

von Redaktion

von Basil Wegener

Berlin – Patienten mit akuten Beschwerden sollen künftig per Telefon zum Arzt oder in eine Notaufnahme dirigiert werden. Damit soll nach dem Willen von Deutschlands Kassenärzten das Problem überfüllter Notaufnahmen behoben werden. Wer nicht als Notfall behandelt werden muss, dem soll über die Bereitschaftsnummer 116117 ein passender Arzt genannt werden, wie der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sagte.

„Der Großteil der Patienten in den Notfallambulanzen der Krankenhäuser ist dort heute nicht am richtigen Platz“, sagte Gassen. „Manchmal scheinen die seit Wochen andauernden Rückenschmerzen plötzlich so stark oder das Fieber so beunruhigend, dass der Patient in die Notaufnahme geht.“ Die müssten aber in der Lage sein, sich schnell um Unfallpatienten, Herzinfarkte oder Schlaganfälle zu kümmern. „Bagatellerkrankungen gehören da nicht hin.“ Schon der wachsende Ärztemangel zwinge zu einem effizienteren Umgang mit Ressourcen.

Funktionieren soll die telefonische Patienten-Steuerung rund um die Uhr: Beim Anruf eines Patienten soll medizinisches Fachpersonal zuerst eine Ersteinschätzung auf Basis eines Fragenkatalogs geben: Braucht jemand dringend Hilfe? Ist ein Hausbesuch nötig? Sollte der Patient zu einer Bereitschaftspraxis? Wenn nötig, kann ein Arzt am Telefon zugeschaltet werden. Wenn der Patient einen Arzt konsultieren sollte, soll eine Praxis in der Nähe vermittelt werden. „Im Notfall wird eine Notaufnahme genannt oder auch direkt ein Krankenwagen zu ihm geschickt“, sagte Gassen.

Noch ist es nicht soweit. Zunächst will die KBV die bundesweite Nummer 116117 durch eine nächstes Jahr startende Kampagne bekannter machen. 2017 kannte laut einer Umfrage nicht mal jeder Zehnte die seit 2012 existierende Hotline.

Ein Problem ist es offenbar, genug Personal für die Zentren zu finden, die die Anrufe entgegennehmen. Im Notfall, sagt Deutschlands oberster Kassenarzt, müssten bei Überlastung eines einzelnen Zentrums andere einspringen. Zudem sollen Patienten auch per App oder Internet beraten werden können.

Zuletzt hatte Gassen für Empörung gesorgt: Er brachte eine Gebühr ins Spiel, falls Patienten trotzdem einfach in die Notaufnahme gehen. Die Krankenhausgesellschaft DKG betonte, mit elf Millionen Fällen finde das Gros der ambulanten Notfallversorgung im Krankenhaus statt. Das liege „vor allem daran, dass das Angebot im niedergelassenen Bereich nicht ausreichend ist“, schimpfte Hauptgeschäftsführer Georg Baum.

Auch die Arbeiterwohlfahrt sieht die Kassenärzte gefordert: Zur Entlastung der Notaufnahmen würden bessere Öffnungszeiten der Praxen helfen, sagte AWO-Vorstandsmitglied Brigitte Döcker. Mit einem „Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung“ will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Ärzte zum Handeln zwingen.

Um die 116117 rund um die Uhr schalten zu können, sieht Gassen noch den Gesetzgeber gefordert. „So darf der ärztliche Bereitschaftsdienst heute gar nicht während der normalen Praxisöffnungszeiten betrieben werden.“ Patienten verspricht er durch das neue System die Verminderung von Unsicherheiten und Wartezeiten. „Wir streben an, das System bereits im nächsten Jahr ans Laufen zu bekommen, die komplette Umsetzung wird zwei bis drei Jahre dauern.“

Der Spitzenverband der Krankenkassen ist zwar nicht gegen den Telefon-Service. Sprecher Florian Lanz sagte aber, die Versorgungssituation lasse sich nicht per Telefon ändern, „sondern durch ein geändertes Leistungsangebot, welches den Bedürfnissen der Patienten entspricht“. Dazu gehörten mehr Sprechstunden, eine bessere Erreichbarkeit am Abend und am Samstag sowie die Stärkung der Terminservicestellen.

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