München – Es gibt Termine im Alltag eines CSU-Vorsitzenden, die sollte man sich rot im Kalender anstreichen. Notfalls mit mehr Pflichtgefühl als Euphorie. Landesversammlungen der Jungen Union gehören dazu. Als Horst Seehofer im November seinen Auftritt dort absagte, reagierte der Parteinachwuchs so zornig, dass es zur offenen Rücktrittsforderung kam. Fränkische Delegierte reckten trotzig Plakate für „Markus“ (Söder) in die Luft. Per Beschluss verlangte der Landesverband spontan einen „personellen Neuanfang“ im Amt des Ministerpräsidenten.
Das Votum entfaltete eine Wucht, die am Ende viel zum Wechsel Seehofer-Söder beitrug. Am Wochenende tagt die Junge Union nun wieder. Die Lage ist erneut kitzelig, Seehofer steht jetzt als Parteichef in der Kritik, die CSU rutschte ins 38-Prozent-Tief. Und Seehofer? Sagt seine Rede auch diesmal ab.
Das Programm für Samstag und Sonntag im schwäbischen Friedberg sieht Gastauftritte von Parteivize Manfred Weber, Generalsekretär Markus Blume und vor allem von Ministerpräsident Söder vor, aber keinen Beitrag des Parteichefs. Ist das nun ehrlich – oder ein Wiederholungsfehler? Statt mit offener Wut reagiert die JU diesmal mit Achselzucken. Landeschef Hans Reichhart sagt knapp, man müsse eine Absage aus terminlichen Gründen respektieren. Den Wahlkampf mache man eh für die CSU und für Markus Söder, „der einer von uns ist, aus der JU kommt“. Da verspricht Reichhart „mindestens 100 Prozent Einsatz“.
Ob motiviert oder missmutig, dürfte einen Unterschied machen. Auf der Straße, an den Haustüren und im Internet tragen die Jüngeren in der Partei stets die Hauptlast in Wahlkämpfen. Reichhart bittet seine Mitstreiter, angesichts der Umfragen nicht zu zweifeln. „Dass in den letzten Wochen beim Auftreten, bei der Wortwahl, nicht alles richtig gelaufen ist, muss uns klar sein“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. „Da müssen wir in der gesamten Partei an uns arbeiten. Trotzdem gibt es keinen Anlass für Panik.“ Entscheidend seien die letzten zwei Wochen vor der Wahl. Noch sei gut jeder zweite Wähler unentschlossen. „Es wird am Ende eine ganz harte Wahlauseinandersetzung geben – wir müssen kämpfen“, sagt der 36-Jährige. „Wir müssen verbindlich im Ton, aber sehr hart in der Sache streiten.“
Inhaltlich peilt die JU, auch schon mit Blick auf die Europawahl 2019, einen klar europafreundlichen Kurs an – anders als die Gesamtpartei 2014. Im Leitantrag für die Landesversammlung verlangt die JU zudem mehr Einsatz für die Digitalisierung. „Bis 2025 müssen alle Haushalte mit Glasfaserleitungen angebunden sein“, steht im Entwurf. Wo immer Straßen gebaut oder saniert werden, sollen Leerrohre mit Platz „für die Technologie von morgen“ eingeplant werden. Beim Mobilfunk soll es in Funklöchern eines Anbieters ein „nationales Roaming“ geben. Lehrer sollen stärker für Digitalisierung ausgebildet werden, Schulen sollen ein Wahlpflichtfach Software anbieten. Ganz Bayern, nicht nur die A 9, soll zum Testfeld für digitales Fahren werden.
Für Reichhart, Landtagsabgeordneter und Finanz-Staatssekretär, geht es bei der Wahl am 14. Oktober übrigens auch persönlich um viel. Er ist nicht mit einem Direktmandat abgesichert.
Christian Deutschländer