Berlin – Die Affäre um den zurückgetretenen Fußball-Nationalspieler Mesut Özil sorgt auch parteipolitisch zunehmend für Streit. Grünen-Chef Robert Habeck wies Innen- und Sportminister Horst Seehofer (CSU) eine Mitverantwortung für die Entfremdung vieler Deutsch-Türken und indirekt auch für Özils Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft zu. Die CSU kontert, Habeck wolle den Fall parteipolitisch instrumentalisieren.
Özil hatte in seiner Rücktrittserklärung am Sonntag Rassismus-Erfahrungen angeprangert und kritisiert, Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes hätten seine türkischen Wurzeln nicht respektiert. Der 29-Jährige war vor allem wegen seiner Fotos mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan im Vorfeld der WM heftig kritisiert worden.
„Wenn der Sportminister sagt, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, dann ist das klar als Ausladung an alle muslimischen Spieler zu verstehen“, sagte Habeck der „Rheinischen Post“. CSU-Generalsekretär Markus Blume konterte, Habeck vertiefe die gesellschaftliche Spaltung, die er beklage. „In seinem blinden Kampagneneifer gegen die CSU ist ihm keine Schuldzuweisung zu billig und niveaulos“, sagte Blume. Bei Habeck habe „politische Scheinheiligkeit“ Methode. „Heute Özil, am letzten Sonntag Amok: Am Jahrestag des Amoklaufs von München der CSU „Amok-Modus“ vorzuwerfen, ist eine beispiellose Unanständigkeit. Da wäre mal eine Entschuldigung fällig.“
Seehofer hatte im März gesagt: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt.“ Die hierzulande lebenden Muslime gehörten aber „selbstverständlich“ dazu. Daraufhin war eine kontroverse Debatte entbrannt, in deren Verlauf sich nicht nur der Koalitionspartner SPD, sondern auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) klar von Seehofers Aussage distanziert hatten.
Habeck nannte die Wirkung von Seehofers Satz verheerend. „Das Signal, das so an Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln gesendet wird, ist fatal. Denn sie spüren genau, wie sie in unserem Land immer stärker ausgegrenzt und stigmatisiert werden.“
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lehnte es ab, sich zur Causa Özil zu äußern. Der „Zeit“ sagte er: „Zum Thema Fußball äußere ich mich nicht. Da reden andere schon genug darüber.“ Söder spottete über Habecks CSU-Kritik insgesamt: „Der arme Mann irrt.“
Ärger gibt es auch innerhalb der SPD. Altkanzler Gerhard Schröder übte scharfe Kritik an Außenminister Heiko Maas. Es sei „schlicht und einfach unerträglich“, dass sich ein Außenminister im Rahmen der Debatte über einen deutschen Fußballspieler mit türkischen Wurzeln so einlasse, wie Maas das jüngst getan habe, sagte Schröder der „SZ“. Maas’ „dumpfe Kommentare“ zu Özil hätten auch mit sozialdemokratischen Vorstellungen von Integration „absolut nichts zu tun“. Maas hatte am Montag mit Blick auf Özil unter anderem gesagt, er glaube nicht, „dass der Fall eines in England lebenden und arbeitenden Multimillionärs Auskunft gibt über die Integrationsfähigkeit in Deutschland“.
Schröder sagte nun, Maas mache Özil nicht nur indirekt zum Vorwurf, dass er viel Geld verdiene und seinen Lebensmittelpunkt derzeit nicht in Deutschland habe. Der Außenminister zweifle in gewisser Weise auch an, „dass Özil hier so richtig dazugehört“. Mit seinen Aussagen spiele er denen in die Hände, die Özil wegen der türkischen Herkunft ablehnten. Maas hatte in der Rassismusdebatte um Özil allerdings auch zum Kampf gegen Fremdenhass aufgerufen. „Unabhängig vom Fall Özil ist völlig klar: Wir müssen uns jeder Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sehr entschlossen entgegenstellen.“ dpa/cd