Der Fall Özil und die Politik

Schwarzweiß-Denken

von Redaktion

Die Debatte um den Fall Özil krankt schwer daran, dass daraus simple Stammtischbotschaften gezogen werden. Jenseits des Minimalkonsenses, dass der Auftritt mit dem Autokraten Erdogan ein Fehler war, drehen sich verschiedene Seiten den Vorgang nach Belieben zurecht. Weder wurde Özil von Rassisten aus der Nationalelf gedrängt, noch darf man die Augen vor Ausländerfeindlichkeit verschließen, die in den Stadien existiert. Weder steht Özil die Rolle des Guten und dem DFB die des Bösen zu, noch umgekehrt. Weder hat der Fall der Integration in Deutschland verheerenden Schaden zugefügt, noch geht die Debatte spurlos am Land vorbei.

Schwarzweiß-Muster helfen einfach nicht bei der Analyse eines Vorgangs mit vielen Graustufen. Besser wäre deshalb auch, die Politik würde auf unterkomplexe Urteile verzichten. Die Endlos-Debatte driftet mit dem jüngsten Streit zwischen Grünen und CSU ins Absurde ab. Nun soll also Sportminister Seehofer schuld sein am Rücktritt Özils und wohl auch am WM-Aus, weil er indirekt alle muslimischen Spieler aus der Nationalmannschaft ausgeladen habe. Mit Verlaub: Das ist ein Riesenquatsch, selbst für Berliner Verhältnisse tumb. Seehofer hat sich übrigens in Sachen Özil – was bei ihm zuletzt leider nicht die Regel war –, klug eingelassen: nämlich gar nicht. Das ist in diesem Fall, in dem zu viel geredet, nicht zu viel geschwiegen wird, nachahmenswert.

Christian Deutschländer

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