Söder plant Extrawurst für München

von Redaktion

Unter anderem nach der Großdemo steuert die CSU um: Stadt-Wähler sollen moderner umworben werden

München – Als am Sonntag Zehntausende in München gegen die CSU demonstrierten, blieb einer ungewohnt still: der Hauptgegner. Markus Söder, dienstlich in Franken unterwegs, meldete sich mit keinem Pieps und keinem Tweet zu Wort, nichts über die Initiatoren, nichts zur eilig gezimmerten Gegenkampagne seiner Partei. Die Sendepause des Spitzenkandidaten hat weniger mit Trotz zu tun, sondern diente eher der Deeskalation und dem Nachdenken.

Die Großdemo in strömendem Regen, viel besser besucht als von der CSU erhofft, ist der jüngste in einer längeren Kette von Rückschlägen für den wahlkämpfenden Ministerpräsidenten. Das 38- Prozent-Umfragetief gehört dazu, Parteiaustritte nach dem Asylstreit, das verheerende Medienecho auf das Hin und Her um den Seehofer-Rücktritt. Im Ergebnis hat Söder beschlossen, die Strategie nachzujustieren.

Statt mit schroffen Worten die rechte Flanke abzudichten, will er seine Partei jetzt als „Konstante“ in unruhigen Zeiten und in einem gespaltenen Land präsentieren. Nicht Sommer, Sonne, Bayern lobpreisen wie die verunglückte Beckstein-Kampagne 2008, sondern auch über düstere Wolken am Horizont reden: einen drohenden Wirtschaftseinbruch bei einem Handelskrieg mit den USA etwa, der massiv die bayerische Autoindustrie treffen würde. „Stabilität, Sicherheit, Perspektiven“ will Söder bieten, wobei Sicherheit Innen- und Sozialpolitik umfasst. Man müsse ein „größeres Bild zeichnen“, sagte er am Donnerstag vor Journalisten. Er könnte auch sagen: Weg vom Klein-Klein der Asyldebatte. „Wir müssen einen intellektuellen Überbau für unsere einzelnen Politikvorhaben nachliefern“, sagt einer der führenden Beamten.

An der Strategie-Nachrüstung sitzen Staatskanzlei und Parteizentrale seit einigen Tagen. Die Münchner Demo sorgte da für Bewegung. Söders Leuten ist nun klar, dass da eine bunte Stadtgesellschaft auflief, für die einzelne Hetzplakate nicht repräsentativ sind. Die Sorge in der CSU wächst, diese breite Mitte spätestens nach dem schrillen Asylstreit nicht mehr zu erreichen. Hinweise auf Zerwürfnisse mehren sich: die Blockade eines CSU-Wagens auf dem CSD, der Streit mit Teilen der Münchner Theaterszene, gestern eine Liege-Demo von Studenten vor einer Söder-Rede in München.

Die CSU-Spitze plant deshalb für München und den S- Bahn-Raum – grob geschätzt, wohnt da jeder fünfte Wähler – erstmals einen eigenen Wahlkampf. „Wir werden ein sehr bewusstes Angebot für München machen“, sagt Söder, „die Herausforderungen sind ganz andere“. Er will inhaltlich neue Projekte für die Stadt anbieten. Eine eigene Veranstaltungsreihe mit der neuen Wissenschaftsministerin Marion Kiechle (58) wird geplant. Die Professorin aus München, moderne Quereinsteigerin in der Männerpartei, soll auch helfen, Frauen in der Metropolregion besser anzusprechen. In den vergangenen Jahrzehnten wählten Frauen überdurchschnittlich CSU. In der jüngsten Umfrage hat sich das gedreht – auf 37 Prozent.

„Modernität spielt in München eine größere Rolle als Heimat“, analysiert Generalsekretär Markus Blume. Auf das kosmopolitische Klima, aber auch auf Metropolen-Themen wie Verkehrskollaps und Mieten, will die CSU stärker eingehen. München hat dazu die Sonderlage, dass sich die Bevölkerung extrem schnell wandelt. „Zuzug und Wegzug liegen um eine Mehrfaches über anderen Regionen“, sagt Blume. Auf dem Land mag der Hauptgegner AfD heißen, in den Städten sind es oft die Grünen. Starten soll der München-Plan erst im September, vielleicht mit einem raren Doppelauftritt Söder/Seehofer. Also nach dem Sommer, nah am Wahltag 14. Oktober. Söder will den Wahlkampf ohnehin auf die letzten zwei bis vier Wochen verdichten. C. Deutschländer

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