Wahlen in Mali

Vormarsch radikaler Islamisten

von Redaktion

Von Jürgen Bätz

Bamako – Trotz einer UN-Friedensmission unter Beteiligung der Bundeswehr haben radikale Islamisten in Mali weite Landesteile unter ihrer Kontrolle. Die Blauhelme beschützen nach Ansicht von Experten vor allem sich selbst, mit der Terrororganisation El Kaida verbundene Gruppen bauen in der Sahelzone indes ihren Machtbereich aus. Die 1000 Soldaten der Bundeswehr müssen sich wegen der unruhigen Sicherheitslage auf einen langen Einsatz einrichten. Daran wird auch die Wahl am Sonntag wenig ändern.

Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keïta (71), der sich in dem westafrikanischen Land um eine zweite Amtszeit bewirbt, hat nur eine dürftige Bilanz vorzuweisen: Mali ist eines der ärmsten Länder der Welt, die Infrastruktur ist desolat, fast die Hälfte der Kinder im Grundschulalter – rund 1,2 Millionen – gehen nicht zur Schule. In Keïtas Amtszeit seit 2013 haben radikale Islamisten ihr Einflussgebiet vom wüstenhaften Norden ins bevölkerungsreiche Zentrum des Landes ausgeweitet. Die Zahl der Anschläge ist stark gestiegen.

Trotz internationaler Militäreinsätze „und hunderten Millionen Euro für Malis Regierung und die Sicherheitskräfte verschlechtert sich die Sicherheitslage weiter“, erklärt Andrew Lebovich vom European Council on Foreign Relations. Zudem seien Sicherheitskräfte für Übergriffe auf die Zivilbevölkerung verantwortlich, was den Dschihadisten Zulauf beschere.

Keïtas Herausforderer Soumaïla Cissé verspricht den Wählern Wandel und Erneuerung. Der 68-Jährige hatte sich bereits zwei Mal vergebens um das höchste Staatsamt bemüht. Der Chef der größten Oppositionspartei wird kaum als Hoffnungsträger gesehen; auch er hat kein Patentrezept zur Befriedung des Landes. Doch viele Wähler sind von Keïta so enttäuscht, dass sie sich nach einem Wechsel sehnen. Die meisten Beobachter gehen trotzdem von einem Sieg Keïtas aus, auch wenn Cissé Chancen zugerechnet werden, eine Stichwahl zu erzwingen.

Stabilität in Mali zu erreichen, wäre auch für Deutschland wichtig: Zum einen ist der Staat ein Transitland für Migranten, zum anderen wäre der Norden bei einem Staatszerfall das perfekte Rückzugsgebiet für radikale Islamisten aller Art – und das nur eine Landesgrenze vom Mittelmeer entfernt. Das ist nicht weit hergeholt: 2012 übernahmen mit El Kaida verbundene Islamisten in Folge eines Tuareg-Aufstands die Macht im Norden des Landes. Erst durch eine französische Militärintervention 2013 wurden die Islamisten zurückgedrängt.

Doch im Zentrum und im Norden des Landes – ein Gebiet von der doppelten Fläche Deutschlands – kontrollieren die Islamisten wieder weite Landstriche. Dort wird nur eine Minderheit der Menschen abstimmen, was eine glaubwürdige Wahl unwahrscheinlich macht, wie die Experten der Denkfabrik International Crisis Group erklären.

Mali wirkt oft wie ein zweigeteiltes Land: Die große Mehrheit der Bevölkerung und die Politiker leben in der Hauptstadt Bamako und in den fruchtbareren südlichen Regionen, die Probleme der Sahelzone sind für sie weit weg. Nur selten trauen sich Politiker in die Sahara-Städte des Nordens, etwa nach Timbuktu oder Kidal. Im quirligen Bamako indes erinnern meist nur UN-Fahrzeuge und enorme Sicherheitsvorkehrungen an den Konflikt im Norden. Die deutschen Soldaten sind im nordöstlichen Gao stationiert. Ihr Einsatz kostet pro Jahr etwa 270 Millionen Euro.

Für Entwicklungshilfe hingegen bekommt Mali von Deutschland seit 2013 im Schnitt jährlich nur rund 70 Millionen Euro. Doch nachhaltig können die Islamisten Experten zufolge nur besiegt werden, wenn der Staat es schafft, den Bürgern eine Grundversorgung zu bieten – Schulen, Kliniken, Polizisten und eine funktionierende Justiz. „Die Islamisten nutzen sehr geschickt die verbreitete und tief sitzende Unzufriedenheit mit dem Staat aus, besonders im Bereich Korruption, fehlende staatliche Versorgung und Mangel an Sicherheit“, erklärt Corinne Dufka, Westafrika-Expertin bei Human Rights Watch.

Doch Malis Regierung ist überfordert. Unicef zufolge stirbt zum Beispiel jedes zehnte Kind noch vor dem fünften Geburtstag. Trotzdem wächst die Bevölkerung angesichts der weltweit höchsten Geburtenrate (6,1 pro Frau) rasant. Die Einwohnerzahl soll sich UN-Prognosen zufolge bis 2050 auf mehr als 40 Millionen verdoppeln.

Artikel 2 von 11