Asylpolitik der Bundesregierung

Seehofers Dilemma

von Redaktion

Eigentlich ist die Sachlage ziemlich eindeutig: Auf Seite 107 des Koalitionsvertrags haben sich CDU, SPD und CSU darauf verständigt, sogenannte Ankerzentren für die Erstaufnahme von Flüchtlingen einzuführen. Die Fachleute der Parteien waren sich – lange bevor Horst Seehofer Innenminister wurde – einig, dass damit Verfahren schneller, effizienter und gerechter ablaufen würden. In Bayern sind die Zentren inzwischen eröffnet, fast alle anderen Länder verweigern sich. Und die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU) und Andrea Nahles (SPD) sehen sich leider, leider völlig außerstande, ihre Ministerpräsidenten zur Umsetzung des Vertrags zu bewegen.

Auf diesen Missstand hat Seehofer im ARD-Sommerinterview hingewiesen. Damit hat er zwar völlig Recht, dennoch könnte die Renitenz der Länder vor allem für ihn selbst zum Problem werden. Der Innenminister, der mit dem lautstark vom Zaun gebrochenen Asylstreit bereits jegliches Pulver verschossen hat, wird dem Treiben vermutlich hilflos zusehen müssen. Schließlich muss die CSU in Umfragen derzeit schmerzhaft erfahren, wie wenig die Bayern ihre Streit-Strategie goutierten. Seehofer wird sich jede weitere Eskalation doppelt überlegen.

Gleiches gilt für die bilateralen Abkommen zur Rücknahme von Asylsuchenden, die Seehofer für Ende Juli/Anfang August angekündigt hatte. Der August geht in seine zweite Woche, aber aus Italien oder Griechenland sind keine Fortschritte zu vernehmen. Seehofer selbst versuchte zunächst, Angela Merkel in die Pflicht zu nehmen. Doch die Kanzlerin legt in der Sache keine übertriebene Eile an den Tag, sie macht erst einmal Urlaub. Es ist ihre ganz eigene Art des Machtkampfs: Seehofer baute lautstark allerlei Drohszenarien auf, Merkel lässt ihn nun umso wortloser zappeln. Auch hier dürfte es dem CSU-Chef schlecht bekommen, neuen Ärger heraufzubeschwören. Seehofer steckt im Dilemma. Der selbstbewusste Innenminister, der seine Aufgabe mit so viel Elan anging, droht zum Ankündigungsminister zu schrumpfen.

Mike Schier

Sie erreichen den Autor unter

Mike.Schier@ovb.net

Artikel 1 von 11