Berlin – Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen deutsche Sicherheitsbehörden die Handys von Verdächtigen überwachen. Meist geht es nicht um das Abhören von Gesprächen durch so genannte Staatstrojaner, sondern um die Ortung der Geräte.
-Wie ermitteln Sicherheitsbehörden den Standort eines Mobiltelefons?
Moderne Smartphones können mithilfe von Satellitennavigationssystemen ihre eigene Position präzise feststellen. Ermittler haben aber in der Regel keinen Zugriff auf diese Daten, sondern orten die Handys im Funknetz. Dazu senden sie eine „stille SMS“ an das Handy. Der Empfang bewirkt eine Rückmeldung des Telefons bei der Funkzelle. So sieht der Provider, in welcher Funkzelle das Telefon eingebucht ist und kann diese Information weiterreichen.
-Bekommen die Betroffenen die Abfrage mit?
Nein, eine „stille SMS“ wird nicht angezeigt und löst auch kein akustisches Signal aus. Android-Smartphones können aber dank Apps wie SnoopSnitch auch die „stillen SMS“ erkennen. Ist das Handy ausgeschaltet oder im Flugmodus, funktioniert die „stille SMS“ gar nicht.
-Kann man mit „stillen SMS“ ein Bewegungsprofil erstellen?
Ja, wenn in kurzen zeitlichen Abständen „stille SMS“ gesendet werden, sieht man relativ genau, wo sich das Handy befindet.
-Wie häufig setzen hiesige Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste die „stillen SMS“ ein?
Der Verfassungsschutz verschickte laut Bundesregierung im ersten Halbjahr 2018 gut 103 000 „stille SMS“ zur Ortung von Handys, das BKA kam auf 31 000, die Bundespolizei auf 38 000 solcher SMS. Die Zahlen beim Zoll und dem Bundesnachrichtendienst sind geheim.
-Welche rechtliche Grundlage gilt dafür?
Es gibt keine gesetzliche Norm, die nach ihrem Wortlaut den Einsatz von „stillen SMS“ in Ermittlungsverfahren erlaubt. In der Strafprozessordnung sind aber im Paragraf 100i die erlaubten technischen Maßnahmen bei der Ermittlung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung festgeschrieben. Dazu gehört die Ortung der Handys. Zuletzt hat der Bundesgerichtshof bestätigt, dass Ermittler „stille SMS“ einsetzen dürfen.
-Was sagen Datenschützer zu „stillen SMS“?
Die Maßnahme wird von den meisten Datenschutzbeauftragten nicht grundlegend abgelehnt, die Praxis aber bemängelt. Die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk kritisierte etwa die massenhafte Anwendung. Oftmals fehle die Dokumentation der Überwachung. Zudem werde die obligatorische Datenlöschung nur unzureichend umgesetzt.
-Sind die Ermittler auf den Einsatz von „stillen SMS“ beschränkt?
Nein, sie können unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen auch feststellen lassen, welche Smartphones zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Funkzelle eingebucht waren. Für zielgerichtete Einsätze stehen ihnen auch „Staatstrojaner“ zur Verfügung, mit denen Geräte belauscht werden können.
-Sind die „Staatstrojaner“ einsatzbereit?
Nach einer langen Pannenserie bei der Entwicklung der Überwachungssoftware stehen den Ermittlern inzwischen drei Varianten eines „Staatstrojaners“ zur Verfügung. Das BKA hat fast sechs Millionen Euro ausgegeben, um umstrittene Programme für eine Online-Durchsuchung entwickeln zu lassen, die jetzt einsatzbereit sind. Eingesetzt wurden sie aber offenbar noch nicht.