München – Kaum fünf Monate im Amt, hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sein drittes Gesetzgebungsvorhaben auf den Weg gebracht. Das „Terminservice- und Versorgungsgesetz“ soll schnellere Arzttermine garantieren. Wir sprachen darüber mit Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
-Wenn man sich den neuen Gesetzentwurf auf den Internetseiten des Bundesgesundheitsministeriums ansieht, begegnen einem viele Bilder von lächelnden Ärzten. Müssen Sie auch lächeln, wenn Sie an den Entwurf denken?
Vielleicht süß-säuerlich an der einen oder anderen Stelle. Das Gesetz hat etliche Punkte, die wir unterstützen können. Bei ein, zwei Dingen haben wir aber Bauchschmerzen. Es geht darin um Regelungen, die stark in die Praxisautonomie eingreifen. Ein Beispiel ist die Vorgabe von mindestens 25 Sprechstunden pro Woche. Die Zahl der Sprechstunden ist im Bundesmantelvertrag, den die KBV mit den Krankenkassen abgeschlossen hat, geregelt. Dass der Gesetzgeber jetzt eine vertragliche Regelung per Gesetz ändert, ist gelinde gesagt ungewöhnlich. Das finde ich auch nicht sinnvoll.
-Bedeuten zusätzliche Sprechstunden für Ärzte, dass sie mehr arbeiten oder fällt dafür etwas aus dem Kalender?
Wir haben im Mittel rund 52 Wochenarbeitsstunden pro niedergelassenem Arzt. Wenn ich fünf Stunden mehr in meiner Praxis ansprechbar sein soll, dann gibt es andere Dinge, die ich nicht mehr machen kann. Beim Hausarzt vielleicht die Hausbesuche, bei Fachärzten die eine oder andere Untersuchung. Das ist aber nicht gewollt. Darum müssen wir davon ausgehen, dass der Minister den Vertragsärzten fünf Stunden zusätzlich abverlangt. Ein Drittel aller Hausärzte wird in den nächsten zwei bis drei Jahren im rentenfähigen Alter sein, ob die noch fünf Stunden draufsatteln können und möchten, ist fraglich. Wir haben außerdem noch einen Anteil angestellter Ärzte, da geht es völlig ins Leere. Die haben einen Arbeitsvertrag mit 40 Stunden.
-Würde das Gesetz den gesetzlich Versicherten helfen, schneller an Termine bei Haus- und Fachärzten zu gelangen?
Die Wartezeiten sind im internationalen Vergleich sehr gering. Wir haben eine in der Auslastung schon maximal angespannte Situation bei den Ärzten sowie eine nachrückende Generation, die sagt, für mich ist Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch ein hehres Ziel. Deshalb bezweifle ich, dass wir allein trotz ausreichender Finanzierung für jeden zu jeder Zeit überall einen Termin in jeder Fachrichtung ermöglichen können.
-Den „Zuckerbrotteil“ seines Gesetzes sieht Spahn in den „extrabudgetären Vergütungen“ für Ärzte. Was ist das überhaupt?
Das „Zuckerbrot“ ist die Mehrvergütung und da wird es schwierig. Das ärztliche Honorar ist bei niedergelassenen Ärzten gedeckelt. Das heißt, egal wie viel Leistung sie als Arzt erbringen, sie kriegen irgendwann nicht mehr Geld. Jetzt sagt Herr Spahn, die Leistungen, die ich mehr von euch erwarte, die bekommt ihr außerhalb des Budgets bezahlt. Das hieße, wenn ich mir jetzt einen neuen Patienten anschaue, würde der komplett bezahlt, was an sich gut ist. Jetzt kommt es darauf an, dass Herr Spahn das im Gesetz auch klar formuliert, damit die Krankenkassen auch das Geld dafür bezahlen müssen. Denn die Krankenkassen werden alles tun, um sich vor der Zahlung zu drücken.
-In unterversorgten Gebieten sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen eigene Praxen eröffnen, sogenannte Eigeneinrichtungen. Kann man so die Versorgungslage in ländlichen Gebieten verbessern?
Natürlich macht es Sinn, dass man den Kassenärztlichen Vereinigungen die Möglichkeit einräumt, wenn es irgendwo nicht anders darzustellen ist, das mit einer Eigeneinrichtung versorgungstechnisch zu regeln. Das setzt aber voraus, dass ich für die Eigeneinrichtung auch angestellte Ärzte bekomme. Und wenn ich in gewissen Regionen keine Ärzte finde, dann geht auch so eine Eigeneinrichtung ins Leere. Eine gesetzliche Verpflichtung macht hier wenig Sinn. Das ist ähnlich wirkungsvoll, als ob Sie in einem Gesetz 300 Sonnentage vorschreiben.
Interview: Maik Zeisberg