Niederländisches Verfahren

Asyl-Entscheidung in acht Tagen

von Redaktion

Von Annette Birschel und Martina Herzog

Ter Apel – Die Niederlande haben eines der strengsten Asylgesetze Europas, doch die Verfahren gehen vergleichsweise schnell über die Bühne. „Qualitativ beispielhaft“ laufe es dort, lobt der Migrationsforscher Dieter Thränhardt von der Universität Münster. Kein Wunder, dass die deutschen Nachbarn begehrlich über die Grenze blicken. Aber läuft dort wirklich alles so viel besser?

Einer der Hauptunterschiede: Im zentralen Aufnahmelager in Ter Apel im Nordosten des Landes bekommt jeder Asylbewerber bereits zu Beginn einen Rechtsanwalt, betont der stellvertretende Direktor der Asyl- und Immigrationsbehörde, Joel Schoneveld. „Wenn sofort alle relevanten Fakten auf den Tisch kommen, verläuft das Verfahren zügiger.“

In Deutschland wird eine solche Unterstützung zwar von Hilfsorganisationen angeboten, vorgeschrieben ist sie aber nicht. „Schutzsuchende müssen sich in ihrer schwierigen Situation oft selbst um die optionale Rechtsberatung kümmern und das ist oft einfach nicht möglich“, kritisiert die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke.

Das niederländische Modell funktioniert, sagen auch Anwälte und das Flüchtlingshilfswerk. Auch Experte Thränhardt ist voll des Lobes: „Der Anwalt vermittelt dem Bewerber, wie das Verfahren funktioniert. Und er sorgt dafür, dass der Antrag juristisch gut formuliert ist.“

Der Fokus liegt auf der pragmatischen Zusammenarbeit von Behörden, Hilfsorganisationen, Juristen und Polizei – ein bisschen so wie in den von der Großen Koalition in Berlin geplanten Ankerzentren. Das illustrieren schon die Schilder auf dem Gelände des zentralen Aufnahmelagers in Ter Apel: Sie weisen den Weg zur Schule, zum medizinischen Dienst, zum Flüchtlingshilfswerk, aber auch zu den Büros, wo die Gespräche mit den Beamten stattfinden und später auch die Entscheidung fallen wird.

Das zentrale Lager für Asylsuchende liegt bei Groningen im Nordosten nahe der deutschen Grenze. Anders als im größeren Deutschland, wo Asylbewerber über die ganze Republik verteilt werden, landen in den Niederlanden 90 Prozent aller Flüchtlinge zunächst in Ter Apel. Aktuell sind das rund 2000 Menschen im Monat. Ganz egal, was ihre erste Station in den Niederlanden ist, sie müssen in den hohen Norden reisen. „Wir wollen die Verfahren so schnell wie möglich abwickeln, aber auch so gründlich wie nötig“, sagt Schoneveld von der Asyl- und Immigrationsbehörde.

Nach der Registrierung und einem Gesundheitscheck werden die Asylsuchenden in den Niederlanden in Ruhe gelassen, fünf Tage lang. „Die Leute müssen erst einmal zu Atem kommen“, sagt Asyl-Vizedirektor Schoneveld. Erst dann beginnt das Verfahren mit einer intensiven Anhörung und der Überprüfung aller Angaben. Die Kernphase des Verfahrens umfasst nur acht Tage. In Deutschland dauerte es hingegen von der Anhörung bis zur Entscheidung zuletzt im Durchschnitt 4,5 Monate.

Vor der Gesetzes-Reform 2011 dauerten Asylverfahren in den Niederlanden quälend lange. Jahrelanges Warten war keine Ausnahme. Doch bis Asylbewerber Gewissheit haben, dauert es auch in den Niederlanden deutlich länger als acht Tage. Denn zur Zeit müssen sie drei bis vier Monate auf den Beginn des Verfahrens warten. Dann geht es gerade bei klaren Fällen, wie etwa bei Flüchtlingen aus Syrien, aber tatsächlich schnell.

Schnellere Verfahren will auch das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erreichen. Binnen drei Monaten soll über neue Anträge entschieden werden – was laut der Behörde bei neuen Anträgen auch klappt. Allerdings ist das Amt noch im Verzug mit der Bearbeitung von Anträgen aus dem Jahr 2016 und davor – was dazu führt, dass das gesamte Verfahren im Schnitt 8,4 Monate dauert.

Widerspruch gegen den ersten Entscheid ist auch in den Niederlanden möglich, aber in den meisten Fällen nur ein Aufschub. „Wer kein Bleiberecht hat, muss das Land verlassen“, sagt Schoneveld. „Am liebsten freiwillig.“ In Ter Apel versucht der Rückkehr-Dienst diese Leute zur Heimreise zu bewegen. Wer nicht freiwillig zurückkehren will, wird abgeschoben oder landet auf der Straße.

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