Toni Kroos zur Özil-Debatte

Plötzlich rassistisch

von Redaktion

Vor vier Wochen hat der Fußballer Mesut Özil seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt, stilsicher mit einem auf Englisch verfassten Facebook-Post. Seither tobt in den deutschen Feuilletons die sogenannte Rassismus-Debatte, wobei die Frage nicht lautet, ob, sondern wie rassistisch unsere Gesellschaft ist. Den Vogel schoss die „Zeit“ ab, die jammerte, mit Özil sei auch der Glaube an eine progressive Gesellschaft zurückgetreten. Nationalspieler Toni Kroos hat Özil und seinen propagandistischen Alliierten bis hin zum türkischen Premier Erdogan nun die passende Antwort gegeben: Wer von Rassismus in der Nationalmannschaft spreche, rede „Quatsch“.

Damit ist zur Sache das meiste gesagt. Befremdlich aber mutet die Begeisterung an, mit der sich viele Medien einen Schuh angezogen haben, den ihnen ein beleidigter Fußballer und der ausgeflippte Autokrat vom Bosporus hingestellt haben. „Die Lust an der moralischen Selbsterhöhung ist in Deutschland mindestens so groß wie die zur Selbstanklage“, spottet die „Neue Zürcher Zeitung“, die sich wundert, wie sich ein Land, das sich eben noch für seine Willkommenskultur feierte, über Nacht zum Hort finstersten Rassismus gewandelt haben soll.

Ja, es gibt Rassisten in Deutschland. Wie in jedem anderen Land. Was uns von anderen Ländern aber unterscheidet, ist die Hysterie, die daraus bereitwillig ein generelles Haltungsproblem konstruiert. Das beleidigt die breite und vernünftige Mitte, die, anders als Gauland glaubt, eben kein Problem damit hat, einen dunkelhäutigen Mann zum Nachbarn zu haben. Und die es nicht als Last, sondern als Bereicherung empfindet, wenn aus anderen Ländern gekommene Menschen hier leben und arbeiten, solange sie unsere Alltagskultur akzeptieren. Die deutsche Gesellschaft ist viel weiter, als die Özils, Erdogans und Gaulands wahrhaben möchten. Aber sie will sich auch nicht einreden lassen, dass es eine moralische Pflicht zur Aufnahme eines jeden gibt, der, aus welchen Gründen auch immer, an ihre Türe klopft.

Georg Anastasiadis

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