Berlin – Ganz pünktlich schafft der russische Präsident Wladimir Putin es nicht zum Schloss Meseberg. Mit gut einer halben Stunde Verspätung fährt er am Samstagabend mit seiner Stretch-Limousine am Gästehaus der Bundesregierung nördlich von Berlin vor. Sein Abstecher zur Hochzeit der österreichischen Außenministerin in der Steiermark auf dem Weg nach Berlin hat dann doch etwas länger gedauert. Für besondere Pünktlichkeit ist er zwar nicht bekannt, aber vielleicht lässt er Merkel auch ganz bewusst warten.
Sein extravaganter Wochenendtrip in die Europäische Union ist quasi ein Tanz auf zwei Hochzeiten. Dort die recht russlandfreundlichen Österreicher, die bei EU-Sanktionen wegen der Ukraine-Krise oder der Vergiftung des russischen Doppelagenten Sergej Skripal zu den Bremsern gehören. Hier die Hardlinerin Merkel, die immer für eine klare Kante gegenüber Moskau war – und trotzdem die Hauptansprechpartnerin in der EU für Putin geblieben ist.
Trotz Verspätung begrüßt die Kanzlerin ihn freundlich, aber nicht wirklich herzlich. Ein Lächeln, ein kurzer Handschlag, sehr geschäftsmäßig. Die beiden kennen sich schon lange. Seit 2005 machen sie in der einen oder anderen Konstellation Weltpolitik mit- oder gegeneinander. Merkel und Putin sehen sich derzeit wieder häufiger. Erst vor drei Monaten war die Kanzlerin bei ihm am Schwarzen Meer in Sotschi. Der Gegenbesuch ließ nicht lang auf sich warten. „Wir haben Verantwortung: Deutschland, aber vor allem auch Russland“, sagt Merkel, als sie mit Putin vor dem Treffen vor die Kameras tritt. „Deshalb sollten wir daran arbeiten, Lösungen zu finden.“ Merkel meint damit vor allem zwei Krisen, bei denen Russland eine zentrale Rolle spielt: die in der Ukraine und die in Syrien.
Um zu Lösungen zu kommen, muss man über die Krise in den deutsch-russischen Beziehungen auch mal hinwegsehen. Im Konflikt zwischen prorussischen Separatisten und Regierungstruppen in der Ostukraine vermitteln die Deutschen schon seit Jahren. Neu ist, dass man jetzt auch im Syrien-Konflikt eine größere Rolle spielt. Dieses Thema hat die EU und Russland lange auseinanderdividiert. Putin ist der wichtigste Beschützer von Präsident Baschar al-Assad. Der Westen wollte den syrischen Machthaber eigentlich loswerden.
In Meseberg dürfte der Kremlchef zudem nicht ohne Wink in Richtung Donald Trump die – ungeachtet der Sanktionen – wieder wachsenden wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland hervorgehoben haben. Und er wirbt für russisches Gas, ahnend, dass Trump mehr von seinem amerikanischen in die EU verkaufen will.
In Syrien hofft Putin auf EU-Geld zum Wiederaufbau, was dann auch den Machterhalt von Assad legitimieren würde. Man müsse den syrischen Regionen helfen, in die Flüchtlinge aus dem Ausland heimkehren könnten. Dabei gehe es nicht nur um Rückkehrer aus Europa, sagt er, sondern auch um Millionen Flüchtlinge aus den Nachbarländern Jordanien, Libanon und Türkei. Für die Rückkehr müssten „einfache Dinge“ getan werden, etwa die Wasserversorgung oder ärztliche Dienste wiederherzustellen.
Merkel allerdings hat bislang wenig Grund, aus der westlichen Linie auszuscheren. Im Kampf gegen sein eigenes Volk hat Assad Syrien weitgehend selbst in Ruinen gelegt – mit russischer Hilfe. Russland und Deutschland wollen nun an einem neuen Format mit Frankreich und der Türkei zur Stabilisierung Syriens arbeiten. Zunächst aber auf Expertenebene – damit dürfte die Einladung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu einem Gipfeltreffen Anfang September in der Türkei vorerst ausfallen.
Nach gut drei Stunden reist Putin wieder ab. Das Gespräch dauert länger als geplant, Ergebnisse werden sehr diskret gehandhabt. Das könnte ein Hinweis sein, dass die beiden tatsächlich über ganz konkrete Lösungsmöglichkeiten für Syrien oder die Ukraine gesprochen haben.