Diplomatie ist das Gegenteil von Unbedarftheit. Und unbedarft ist noch ein mildes Wort für Österreichs FPÖ-Außenministerin Kneissl. Aus ihrer Hochzeit, einem privaten, für sie sehr erfreulichen Vorgang, macht sie im Übermut die große Bühne für Russlands Imperator, hofiert den ihr persönlich völlig fremden Gast, lobhudelt und knickst. Die schräge Putin-Show mit Kosakenchor in der Steiermark ist keine warmherzige Nähe-Geste, sondern untergräbt zwei Autoritäten: erstens Österreichs Rolle als neutraler Vermittler im Ukraine-Konflikt, zweitens die Sanktionspolitik Europas, die nur mit einem einigen Westen wirksam ist. Die Kneissl-Bilder sind am Wochenende um die Welt gegangen – blamabel.
Nicht der Dialog mit Putin ist falsch, sondern die Unterwürfigkeit, die missratene Inszenierung. Ausgerechnet Angela Merkel (die seit Herbst 2015 aus Österreich zu Recht außenpolitische Belehrungen und Hilfen erfahren durfte) machte am Wochenende vor, wie seriöse und ernsthafte Diplomatie mit dem schwierigen Gast Putin aussehen muss: angemessen ehrenvoll, nie devot. Und hart in der Sache, weil es nicht um Trallala geht, sondern um Völkerrechtsverletzungen und Krieg.
Kneissl ist im Übrigen ein Mosaikstein in einem anderen Gesamtbild – wie groß die politisch-handwerklichen Defizite jener Rechts- und Linkspopulisten Europas sind, die stark an Macht gewonnen haben. Schlaglichter: Italiens Fünf-Sterne-Bewegung, die jahrelang große Infrastrukturprojekte, unter anderem in Genua, blockierte und nun nach dem Brückeneinsturz hochnotpeinlich Schuldige andernorts sucht. Oder der deutsche AfD-Chef, der im ZDF vor Millionenpublikum hilf- und ahnungslos auf Fragen zu Rente, Digitalisierung und Wohnungspolitik reagierte. Die europaweite Krise der Volksparteien steigert zwar Druck und Tempo in Migrationsfragen, senkt aber leider das Polit-Niveau auf anderen Feldern. Das ist eine gefährliche Entwicklung.
Christian Deutschländer
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