München – Sie sind zu zehnt und sollen herausfinden, was zu tun ist. Seit Mai arbeitet die Rentenkommission der Bundesregierung an der Zukunft der Alterssicherung in Deutschland. Doch bevor die Experten überhaupt richtig losgelegt haben, haut die SPD auch schon wieder grob dazwischen. „Wir werden darauf bestehen, dass die Bundesregierung ein stabiles Rentenniveau auch in den 20er- und 30er-Jahren gewährleistet und ein plausibles Finanzierungsmodell vorlegt. Das hat für uns hohe Priorität“, verkündet Bundesfinanzminister Olaf Scholz via „Bild“.
Eine wirkliche Überraschung ist das nicht. Die Kommission war schließlich vor allem eine Idee der CDU. So hielt die Partei das Thema 2017 aus dem Wahlkampf raus. Schon damals war die Ruhe um die Rente ganz und gar nicht im Sinne der SPD.
Denn die Sozialdemokraten waren früh vorgeprescht und hatten das Thema mit dem von Andrea Nahles eingeführten und später von Kanzlerkandidat Martin Schulz übernommenen Konzept der doppelten Haltelinie zu ihrem Wahlkampf-Schwerpunkt gemacht. Die Kernaussage: Das Rentenniveau (Verhältnis zum Lohn) soll nicht zu sehr sinken und die Einzahler sollen gleichzeitig nicht zu stark belastet werden. Doch die Union ließ sich einfach nicht auf eine Diskussion ein – immer mit Verweis auf die Kommission, die sich nach der Wahl schon um all die offenen Fragen kümmern werde. Die SPD schien ausgebremst.
Am Ende aber brauchte Angela Merkel die Sozialdemokraten doch wieder zum Regieren. Deshalb einigte man sich bei den Koalitionsverhandlungen im Januar darauf, einfach beides zu machen: Haltelinien und Kommission. Mindestens bis 2025 soll das Rentenniveau nun nicht unter 48 Prozent fallen und der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. Was danach geschieht, darüber sollen bis 2020 die Experten grübeln. Eigentlich.
Doch stattdessen droht die SPD dem Koalitionspartner schon jetzt mit einem Rentenwahlkampf. Mit Blick auf seine Forderungen sagt Scholz: „Sollte das nicht hinhauen, wird es eben ein Thema der politischen Auseinandersetzung. Dann entscheiden die Bürgerinnen und Bürger diese Frage mit ihrem Kreuz auf dem Stimmzettel.“ Die Union reagiert aufgescheucht und mit geballter Kraft. Fraktionschef Volker Kauder mahnt den Koalitionspartner umgehend zur Ruhe. Fraktionsvize Hermann Gröhe – selbst Mitglied der Rentenkommission – wird schärfer: „Mit seiner markig vorgetragenen Vorfestlegung leistet Scholz der gerade erst begonnenen Kommissionsarbeit einen Bärendienst, ja gefährdet die Grundlagen ihrer Arbeit“. Der CDU-Rentenexperte und nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann kritisiert, die Diskussion komme zur „Unzeit“. Und CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer mutmaßt, Scholz’ Vorstoß habe „sehr viel mit Parteitaktik zu tun“. Gestern schaltet sich dann sogar die Kanzlerin ein. Über Regierungssprecher Steffen Seibert lässt Merkel erklären, sie sehe stabile Renten zwar auch als prioritäre Aufgabe an, wolle aber der Arbeit einer Regierungskommission nicht vorgreifen.
So sieht man es offenbar auch aufseiten der Wissenschaft. Der Münchner Professor Axel Börsch-Supan, der ebenfalls selbst der Kommission angehört, wollte sich gestern auf Anfrage nicht zum politischen Streit äußern.
Die SPD allerdings wird sich kaum zurückhalten lassen. Zwar räumte Scholz’ Sprecher gestern ein, man habe noch kein eigenes Konzept zur Finanzierung der teuren Pläne. Doch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gab sich kampfeslustig. Es sei absurd, dass die Union jede massive Aufrüstungsforderung von US-Präsident Donald Trump beklatsche, „aber offenbar nichts für langfristig stabile Renten in Deutschland tun will“, sagte er gestern. Die SPD wolle hingegen, dass sich die Menschen in Deutschland wieder auf ihren Ruhestand freuen können. Es brauche dazu einen „umfassenden Neustart in der Rentenpolitik“. Ein Einlenken klingt anders.