Alles eine Frage des Niveaus?

von Redaktion

Das Rentenniveau bestimmt die Debatten um die Altersvorsorge – Als Gradmesser hat es jedoch Tücken

München – Wenn es um die Zukunft der Altersvorsorge in Deutschland geht, taucht immer wieder ein Begriff auf: das Rentenniveau. Gerade hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) für Aufsehen gesorgt, indem er forderte, es trotz der aufziehenden demografischen Schwierigkeiten „auch in den 20er- und 30er-Jahren“ stabil bei 48 Prozent zu halten. Im Koalitionsvertrag wird das bisher bis 2025 garantiert. Das grundlegende Problem dabei: Bald gehen die besonders geburtenstarken Jahrgänge in Rente, die aber weniger Kinder als ihre Eltern bekommen haben. Zudem werden die Menschen immer älter, daher wird es künftig weniger Beitragszahler für immer mehr Empfänger geben. Die aktuelle Rentenformel würde deshalb eigentlich dazu führen, dass das Niveau sinkt.

Während Wirtschaft und politische Gegner der SPD also aufheulen angesichts der enormen zusätzlichen Kosten, die für Scholz‘ Forderung auf Beitrags- und Steuerzahler zukämen, geht sie anderen noch immer nicht weit genug. „Das Sicherungsniveau muss mittelfristig auf 50 Prozent erhöht werden“, sagt etwa VdK-Präsidentin Verena Bentele.

Doch worum geht es überhaupt genau, wenn über das Rentenniveau gestritten wird?

Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis der Rente eines Durchschnittsverdieners, der 45 Jahre lang Beiträge bezahlt hat, zum Entgelt eines Durchschnittsverdieners. Maßgebend ist dabei das Nettorentenniveau vor Steuern. Es werden also die entfallenden Sozialabgaben (Kranken- und Pflegeversicherung) abgezogen. Vom Durchschnittsverdienst werden ebenfalls die darauf entfallenden durchschnittlichen Sozialabgaben (Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) sowie der durchschnittliche Aufwand zur zusätzlichen privaten Altersvorsorge abgezogen. Auch Steuern bleiben außer Betracht, „da Renten mit Einführung der nachgelagerten Besteuerung seit 2005 nicht mehr einheitlich besteuert werden“, erklärt ein Sprecher der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Vereinfacht formuliert, beschreibt das Rentenniveau also das Verhältnis einer fiktiven Rente zum durchschnittlichen Einkommen.

Daraus folgt laut DRV-Sprecher: „Ein Absinken des Rentenniveaus heißt nicht, dass die Brutto-Renten sinken. Das ist durch die Rentengarantie sogar gesetzlich ausgeschlossen.“ Und: „Sie werden auch künftig steigen, aber nicht so stark wie die Einkommen.“ Das Rentenniveau kann also sinken, während die Renten erhöht werden.

Dass die Rechengröße Rentenniveau noch weitere Tücken hat, hat zuletzt Alexander Gunkel, Vorstandschef der Deutschen Rentenversicherung betont. So führt etwa die von der Großen Koalition für 2019 angekündigte Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu einem weiteren Absinken des Niveaus. „Da dadurch das verfügbare Einkommen der Beitragszahler steigt, reduziert sich rein rechnerisch das Netto-Rentenniveau, obwohl sich an der Rentenhöhe nichts ändert“, sagte Gunkel Ende Juni.

Auch sagt das Rentenniveau nur bedingt etwas über die Absicherung vor Altersarmut aus. Denn gerade die Ärmsten, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, haben von einer Erhöhung nichts, da sie ihnen angerechnet wird. Umgekehrt profitieren die am stärksten von einem höheren Rentenniveau, die gut verdient haben.

Sebastian Horsch

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