Berlin – Man kann das durchaus als Zeichen verstehen: Genau zehn Jahre nach dem „Augustkrieg“ zwischen Russland und Georgien besucht Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut die ehemalige Sowjetrepublik im Südkaukasus. Sie sei vor zehn Jahren schon da gewesen und habe schon damals explizit den Truppenabzug Russlands gefordert. Daran habe sich nichts geändert. Deutschland stehe zur territorialen Integrität Georgiens, sagte Merkel gestern bei einem Besuch in der georgischen Hauptstadt Tiflis.
Auslöser des Krieges damals war ein ungelöster Territorialkonflikt um den von Georgien abtrünnigen Landesteil Südossetien. Es war insofern ein historischer Einschnitt, als Russland sich damit erstmals in eine militärische Auseinandersetzung mit einem Nachbarn einließ, der sich schon damals in Richtung Westen orientierte.
Seither stiftet Russland immer Unfrieden bei seinen Nachbarn, wenn sich die zu weit in Richtung EU und Nato wegbewegen. Und das gelingt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin recht gut. Keine der 15 ehemaligen Sowjetrepubliken traut sich seit dem Eingreifen Moskaus in der Ukraine, ernsthaft etwas gegen den Willen Putins zu tun.
Mehr als 25 Jahre ist es her, dass sich die Nachbarn Armenien und Aserbaidschan – ebenfalls ehemalige Sowjetrepubliken – einen Krieg (1992-1994) um Berg-Karabach lieferten. Die Region gehört eigentlich zu Aserbaidschan, wird aber von proarmenischen Kräften kontrolliert.
Seit dieser Zeit wurde in der Region aufgerüstet – voran das einwohner- und rohstoffreichste Land Aserbaidschan. Die Militärausgaben des Neun-Millionen-Landes betrugen laut Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP, August-Ausgabe) 2015 fast zwei Milliarden US-Dollar (1,74 Mrd. Euro). 2017 waren es wohl wegen des sinkenden Ölpreises nur noch 1,5 Milliarden US-Dollar (1,3 Mrd. Euro). Präsident Ilham Aliyev rühme sich damit, seit 2003 die Ausgaben für die Rüstung um das 15-Fache gesteigert zu haben.
Armenien gab 2017 nur 437 Millionen US-Dollar (380 Millionen Euro) für das Militär aus. Im Verhältnis zu seinen drei Millionen Einwohnern ist das gleichwohl beträchtlich. Positiv wurde in der Bundesregierung aufgenommen, dass die neue Führung in Eriwan unter Regierungschef Nikol Paschinjan den Nachbarn inzwischen zu Friedensgesprächen aufgerufen hat. Es ist eine Geste, nicht mehr.
Georgien rüstete in den Jahren vor dem „Augustkrieg“ massiv auf. Nach der Niederlage gegen Russland kürzte Tiflis seine Militärausgaben wieder. Indessen habe Russland in den abgespaltenen Regionen Südossetien und Abchasien stark aufgerüstet. Allein in Südossetien mit etwa 30 000 Einwohnern seien mehr als 4000 russische Soldaten stationiert. Das ist viel Sprengstoff für die Region.
Nach diesen Erfahrungen sucht Georgien Schutz unter dem Dach von EU und Nato.
Die Drohungen aus Moskau kamen denn auch prompt zum Jahrestag des „Augustkrieges“. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew warnte vor schweren Folgen eines georgischen Nato-Beitritts. „Das kann einen fürchterlichen Konflikt provozieren.“
Die EU sieht Georgien als Vorreiter unter den Ländern der östlichen Partnerschaft. Und es gibt seit 2016 auch ein Assoziierungs- sowie Freihandelsabkommen mit Georgien. Die EU hat auch Visumfreiheit gewährt – was in Deutschland vorübergehend die Zahl der Asylbewerber aus dem Land hochtrieb.
Das sind Freundlichkeiten und Versuche der Anbindung an den Westen. Doch eine Mitgliedschaft in beiden Bündnissen ist in weiter Ferne. Merkel agiert vorsichtig. Aber es ist eben für Deutschland und die EU eine wirtschaftlich wichtige Region.