In den letzten Tagen haben sich sogar bundesweite Medien in langen Texten mit einem offenbar schwerwiegenden Vorgang der Landespolitik befasst: Die Bayern-SPD hatte der CSU eine ungenutzte, etwas umständliche Internetadresse weggeschnappt. Oh, ein Drama! Drohende Verunsicherung der Wählerschaft, Beleg für erdrutschartige Stimmungswandel in Bayern! Experten waren zu befragen, die SPD jubilierte, der CSU-Generalsekretär empörte sich eilig über „Lügen“ und „Schmutz“.
Was für ein gequirlter Quark. Politik darf schon mal ein Späßchen machen, oder ein kleines Foul. Acht Wochen vor der Wahl, bei 50 Prozent Unentschiedenen, darf das aber den Blick auf die echt zentralen Fragen nicht verstellen. Dieser September wird über das Schicksal der Staatsregierung entscheiden. Söders Regierungserklärung von April – ideenreich, detailreich, extrem teuer – ist voll auf die Umsetzung der Projekte im Herbst ausgerichtet. Er muss liefern – oder ist geliefert. Wird also das Familiengeld trotz Hürden ausgezahlt? Kommt die neue Bauförderung rechtzeitig? Fließt das Pflegegeld unkompliziert und an die Richtigen? Was bewirkt die Grenzpolizei? Klappt der Schulbeginn mit G9 reibungslos?
Jedes gebrochene Versprechen wäre gefährlich für Söder, denn es trifft die Lebensrealität der Wähler; jedes gehaltene erhöht die Chance, dass ihm die Bürger auch seine langfristig angelegten Projekte glauben: den staatlichen Wohnungsbau etwa oder den Neuaufbau des Raumfahrtstandorts. All das ist leider unspaßiger, aber dafür spannender als das Buhei um gekaperte Internetseiten.
Christian Deutschländer
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