Manfred Weber

Der Bayer und die Krone in Brüssel

von Redaktion

Von Alexander Weber UND Christian Deutschländer

Brüssel/München – Der Kandidat hält sich offiziell noch bedeckt, aber in Brüssel pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Manfred Weber, derzeit Vorsitzender der größten Fraktion im Europäischen Parlament, denkt intensiv über die Spitzenkandidatur der Europäischen Volkspartei (EVP) nach und strebt damit die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Präsident der EU-Kommission an. Er wäre nach Walter Hallstein, der dieses Amt von 1958 bis 1967 innehatte, erst der zweite Deutsche auf dem Spitzenposten. Und der erste Bayer.

Noch will Weber seine Karten nicht offen auf den Tisch legen. Gegenüber unserer Zeitung äußert er sich zurückhaltend über seine Ambitionen: „Ich werde in den kommenden Wochen mit meinen Fraktionskollegen und EVP-Regierungs- und Parteichefs sprechen und dann eine Entscheidung treffen.“

Webers Gedanken zur Kandidatur reiften im Stillen, offenbar seit Monaten. Mancher staunte, dass Weber im Frühsommer einen großen Kongress seiner Fraktion ausgerechnet in München abhielt. In Brüssel klappte es aber, dass große Schlagzeilen lange ausblieben. Erst in den nächsten zwei Wochen dürfte es rasend schnell gehen, berichten Eingeweihte. Kanzlerin Angela Merkel ließ unlängst vorsichtig streuen, sie gebe das Festhalten am EZB-Vorsitz auf und präferiere dafür einen deutschen Kommissionspräsidenten – was sie offiziell dementiert. In den nächsten Tagen dürfte sie mit Frankreichs Staatspräsident Macron darüber reden.

Hinter den Kulissen wirbt Weber derweil bei den Konservativen in Europa für seine Ideen. Eine Schlüsselrolle spielen die Treffen bei und mit Österreichs EU-Ratspräsidentschaft. Am 6./7. September tagt die Spitze der EVP-Fraktion in Wien. Am 20. September tagt ein informeller Europäischer Rat in Salzburg, Gastgeber ist Bundeskanzler Sebastian Kurz, mit dem Weber gut kann. Im Politkalender stehen zudem die Plenarsitzungen ab 10. September und der CSU-Parteitag am 15. September. Die offizielle Bewerbungsfrist, die von Anfang September bis 17. Oktober läuft, ist nebensächlich. Nominieren wollen die Konservativen ihren Kandidaten dann am 8. November in Helsinki.

Doch der Chefsessel der europäischen Exekutivbehörde (über 30 000 Mitarbeiter) ist nur einer von mehren Posten auf dem europäischen Personaltableau, die 2019 neu besetzt werden. So endet die Amtszeit von EZB-Chef Mario Draghi im Herbst nächsten Jahres, auch hierfür steht mit Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ein Anwärter aus Deutschland bereit. Ebenso wird der EU-Parlaments-Präsident (derzeit der italienische Konservative Antonio Tajani) sowie der EU-Ratsvorsitzende (derzeit der liberal-konservative Pole Donald Tusk) neu bestimmt werden. Hinter den Kulissen der europäischen Regierungszentralen wird bereits heftig am Personalkarussell gedreht, in jedem EU-Land gibt es Begehrlichkeiten für die Spitzenposten. So gilt auch der Franzose Michel Barnier, derzeit Brexit-Chefunterhändler der EU, als potenzieller Bewerber um den Kommissionsvorsitz.

Webers Wahl brächte ein weiteres Novum: Erstmals würde ein gewählter Europaabgeordneter an die Spitze der Kommission rücken, bisher kamen meist altgediente Regierungschefs oder Minister aus Regierungen der Mitgliedsstaaten zum Zug (und wurden vor der Wahl 2014 auch von den aktiven Regierungschefs hinter verschlossenen Türen ausgekungelt). Es wäre ein weiterer Schritt im Demokratisierungsprozess der EU, wenn der EU-„Regierungschef“ aus der Mitte des Parlaments gewählt würde.

In seinen Parteien hat Weber prominente Fürsprecher gefunden. Als spektakulär gilt, dass sich der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger voll für Weber aussprach – impliziert es doch Oettingers Verzicht auf eine weitere Amtszeit. Auch der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber wirbt nun offen für Weber. Der habe das „absolut“ im Kreuz, sagt Stoiber unserer Zeitung: „Mit seiner breiten europapolitischen Kompetenz, seiner langjährigen parlamentarischen Erfahrung, aber auch mit seiner festen Verankerung auch in seiner Heimat Bayern würden diese riesigen Herausforderungen Europas in besten Händen liegen.“ Stoiber weiß, wovon er da spricht: 2004 hatte er selbst das Angebot, Kommissionspräsident zu werden – schlug aber aus.

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