Das Wort „Impeachment“ (Amtsenthebung) erfreut sich derzeit in Washington großer Beliebtheit. Kaum ein Kritiker von Donald Trump, der nicht von der Hoffnung getragen wird, dass der US-Präsident früher oder später aus dem Weißen Haus gejagt wird. Das Magazin „Time“ nährte jetzt diese Vision mit einem Titelbild, das einen langsam ertrinkenden Trump im „Oval Office“ zeigt. Bei so viel Untergangsstimmung sollte jedoch eines nicht unterlassen werden: ein Abgleich mit der Realität.
Was angesichts täglicher Negativmeldungen zum Präsidenten gerne übersehen wird, ist der Status quo mit Blick auf die angeblichen und tatsächlichen Fehltritte Donald Trumps. Da sind zum einen die Zahlungen an Geliebte über seinen Anwalt Michael Cohen, die gegen das Parteispenden-Gesetz verstoßen haben könnten. Doch Trumps Basis – die gern eine oder beide Augen zudrückt – regt dies nur wenig auf. Parteispenden-Regulierungen, die nicht beachtet werden, sind in Sachen Brisanz auch beileibe kein Watergate-Skandal, also ein Einbruch beim politischen Gegner plus anschließendem Vertuschungsversuch à la Richard Nixon. Und angeklagt werden kann Trump als amtierender Präsident offenbar ohnehin nicht. Sollte es bei dieser Erkenntnislage bleiben, wäre eine Amtsenthebung – ein strikt politischer Prozess – wegen der Mehrheiten im Kongress so gut wie ausgeschlossen.
Das gilt auch für die Russland-Ermittlungen. Zwar gibt es überwältigende Indizien für aus Moskau gesteuerte Cyber-Angriffe auf Demokraten-Rechner und Einflussversuche in den sozialen Medien. Doch es gibt derzeit keine Beweise für eine aktive Kooperation der Trump-Kampagne mit Russland, die zu einer tatsächliche Beeinflussung des Wahlergebnisses geführt hat. Solange dieses Kernelement fehlt, ist es kaum vorstellbar, dass die Stimmung im Land Mehrheiten für eine Amtsenthebung ermöglicht.
Friedemann Diederichs
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