Was genau am frühen Sonntagmorgen auf dem Chemnitzer Stadtfest geschehen war, wer dort wem etwas angetan hatte: All das war bis gestern noch weitgehend unklar. Aber auf Facebook und Twitter, den perfekten Beschleunigern von Hass, Vorurteilen und Halbwahrheiten, schlugen die Wogen längst hoch.
Für den schwäbischen AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier reichte die dürre Faktenlage gar schon am Sonntagmorgen aus, um als „Bürgerpflicht“ zu fordern, „die todbringende ,Messermigration‘ zu stoppen“. Sawsan Chebli (SPD), einst unter dem damaligen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wegen ihres muslimischen Migrationshintergrundes Vorzeige-Staatssekretärin, twitterte gestern: „Rechte werden immer stärker … Wir sind zu wenig radikal.“ Was auch immer mit angeblichen Bürgerpflichten, mit „wir“ und fehlender Radikalität eingefordert wird – es ist sicher nicht das, was dem Land nach den Vorfällen in Chemnitz guttut.
Ein reines Sachsen-Problem ist Chemnitz jedenfalls nicht, zu erinnern ist an Rostock-Lichtenhagen, aber auch an Mölln und Solingen. Und wer jetzt wieder einen antifaschistischen Schutzwall fordert, nur diesmal gegen Ostdeutschland, der macht die AfD dort noch mehr zur Volkspartei, als sie es ohnehin schon ist.
Tibor Pézsa
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