Schwarz-roter Rentenknatsch

von Redaktion

Große Koalition berät über Paket – Sozialwissenschaftler: Diskussion um Scholz-Forderung geht am Problem vorbei

Berlin/München – Die SPD hielt das Thema möglichst lange am Köcheln. Wenn heute ihre Partei- und Fraktionschefs mit denen der Union über ein geplantes Rentenpaket von Sozialminister Hubertus Heil (SPD), beraten, wirkt das darin angepeilte Ziel deshalb schon beinahe kleinlich. Was ist schon ein stabiles Rentenniveau bei 48 Prozent bis 2025, nachdem Finanzminister Olaf Scholz (SPD) doch vorige Woche gefordert hat, den Rentnern diesen Anspruch gleich bis 2040 zu garantieren. Und während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer den Koalitionspartner beinahe flehentlich baten, endlich Ruhe einkehren zu lassen, legte SPD-Vize Ralf Stegner im Interview mit der „Welt“ noch einmal nach. Erst gestern lenkte Parteichefin Andrea Nahles – vorerst – ein. Momentan sei mit der Union einfach nicht mehr drin, sagte sie der „SZ“. Doch die gewünschte Botschaft ist platziert. Sie lautet: Die SPD kämpft für die Rentner. Jetzt und auch in Zukunft.

Dabei führe die Diskussion um das Rentenniveau am eigentlichen Problem vorbei, kritisiert der Sozialwissenschaftler Stefan Sell gegenüber unserer Zeitung. Denn von Armut bedroht seien im Alter „nicht die Metallfacharbeiter“. Das Kernproblem sei vielmehr „die desaströse Lage der Menschen, die unterdurchschnittlich verdient haben und deshalb mit ihrer Rente nicht oberhalb des Grundsicherungsniveaus liegen“. Von einer Stabilisierung oder Erhöhung des Rentenniveaus haben sie so gut wie nichts. Dass über diese Menschen aber kaum gesprochen werde, macht Sell daran fest, dass sie – anders als die breite Masse der Rentner – politisch keine wichtige Rolle spielen.

Sell hält eine Stabilisierung des Rentenniveaus aber dennoch grundsätzlich für richtig, nicht zuletzt um die Akzeptanz des Systems zu garantieren. „Es geht um die Frage: Warum soll ich einzahlen?“ Zudem würden durch ein sinkendes Niveau die Rentenerhöhungen von der Lohnentwicklung abgekoppelt. Dies führe wiederum dazu, dass der Abstand kleiner Renten zu den Grundsicherungsleistungen immer geringer werde.

Zur Finanzierung einer Leistungsausweitung spricht sich Sell unter anderem für eine stärkere Umverteilung aus. Dabei könne die Schweiz als Vorbild dienen, die auf eine Beitragsbemessungsgrenze verzichtet. Das hieße dann, wer sehr viel verdient, zahlt auch sehr viel ein.

Geld, das gebraucht würde. Denn wie der Münchner Ökonom Axel Börsch-Supan für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ ausgerechnet hat, müsste der Rentenbeitrag nach aktuellen Voraussetzungen im Jahr 2040 auf 25,6 Prozent (heute 18,6 Prozent) steigen, würde man die von Scholz geforderte Garantie ausschließlich auf diesem Weg finanzieren. Würde man die Mehrkosten hingegen alleine über das Rentenalter erwirtschaften, müsste es demnach 2040 bei etwa 70 Jahren liegen.

Würde der zusätzliche Finanzbedarf von 50 Millionen Euro jährlich 2040 hingegen über die Mehrwertsteuer kompensiert, müsste sie laut Börsch-Supan dann bei 22 Prozent liegen (heute 19 Prozent). Die Berechnungen setzen eine gute Wirtschaftslage voraus. Sebastian Horsch

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